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XVALLDORF,
Kir-chhügel.
Meiningen.
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Horden ihre Wuth aus. Von dem Grabe des ehemaligen Statthalters Bernhard
Marschall: v. Ostheim, welches sich vor der Kirchthüre befand, rissen sie das
schöne Epitaphiuni und ein eisernes Cruciiix hinweg, gruben den Leichnam aus
und schleppten alle erbeuteten Kostbarkeiten von dannen (Schriften des Vereins für
meining. Gesch., Heft 27, S. 53). Auch 1742 und 1836 wütheten grosse Feuersbrünste.
Die Kirche „zu unserer lieben Frauen" auf dem "Kirchberge", 1587 erneuert,
wurde 1634 bis auf das Mauerwerk zerstört, 1648-1651 aber neu hergerichtet.
Eine langathmige Denkschrift über diesen vorzüglich der Energie des damaligen
Pfarrherrn M. Samuel Scheine?" zu dankenden Neubau liessen die Ganerben im
Kirchthurmkuopf verwahren. Dieser zufolge waren die Baumeister und Schiefer-
decker: Nie. Girieser sen. und Nie. Grieser jma, dann M0. Kopper, alle von
"Listen" (Lehesten) im Vogtlande. „Von diesem Thurmzudecken, -auszustaftiren
und von den Schieffersteinen herbeyzuschaffen hat die Gemeinde 130 Rthlr. vor
alles, wie auch 4 Rthlr. den Meistern vor Weinkauf zalt. Vor den grossen Knopf
hat die Gemeinde dem Kupffersehmiedt zu Schleusingen Valtizz Weisen 15 Rthlr.
(ge)geben, den kleinen Knopf aber hat der Kupferschmidt zur Kirchen verehrt."
Ein moderner Umbau der Kirche wurde 1906 vollendet.
Die alte Schule ist 1646 gebaut und 1838 vergrössert worden; die neue
Schule wurde 1883 errichtet.
Die Synagoge am "Tanzberge" ist 1789 erbaut worden, die frühere
israelitische Schule, 1824 gegründet, brannte 1836 ab und wurde 1838 am „freien
Platz" neu errichtet.
Walldorf hatte lange Zeit hindurch die stärkste J u denge m einde des Landes.
Von 1800-1860 bildete sie den dritten Theil der Bevölkerung. Seitdem jedoch
den Juden das Recht freier Ansiedlung im ganzen Herzogthum zugestanden worden
ist (1848), fand eine beträchtliche Abwanderung nach den grösseren Städten,
namentlich nach der nahen Residenz, statt.
Das Marschalksche Hospitalgebaude steht am Spitalweg; es war 1836
durch Feuer zerstört worden.
Das ehemalige M ar s eh a] k s ehe S ehlo s s und ein Theil der früheren Guts-
gebäude dienen seit 1875, bezw. 1903 als Kreisarmenhaus.
Das ältere Diemarsche Schloss. das „R0the Haus" genannt (Haus
Nr. 151), ist gegenwärtig in Privatbesitz. Das neue, 1718 erbaute Diemar-
sehe Schloss an der Herpf wurde infolge seiner Baufalligkeit 1857 eingelegt.
In früheren Zeiten stand jenseits der Werra, am Wege nach Wallbach eine
offenbar zu Walldorf gehörige Kapelle.
Litteratur: G. Briickner, Landeskunde I1, S. 137-139. G. Brückn er, Pfarrbuch,
S. 375-389. Copialbuch der Walldorfer Judenschaft (1770 ff.) im Besitz des Vorstehers der
jüdischen Gemeinde in Walldorf. Fritze, Dorfbilder, Neue Beitr. XX, S. 20. A. Metz, Das
Walldorfer Centgerieht und eine Hinrichtung durch dasselbe im Jahre 1755, Meininger Tagebl.
18. December 1904. (Der Verfasser hat uns auch sonst durch ausgiebige ortsgeschichtliche Angaben
in dankenswerther Weise unterstützt.) Pusch, Von der Badestube in Walldorf, Meininger Tage-
blatt, 1905, 25. Juni, Nr. 146. Pusch, Das Kroatenglöcklein in Walldorf, ebenda 1905. Moritz
Siegel, Der Walldorfer Lehmkrieg, Gedenkblatt zum IOO-jährigen Anfall Walldorfs an das Herzogthum
S-Meiningen, Schriften des Vereins für meining. Gesch. 1906. L_ Her teL
die
Der Kirchhügel. Die Kirche steht auf einer im Dorf gelegenen Anhöhe,
mit ihren Ringmauern, Bastionsthürmen, Schiessscharten und Resten des alten