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Die
Wartburg.
Das
Landgmfenhaus.
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Landgrafenzimmer und dem Sängersaal mündet die alte, innere steinerne Treppe,
die zu den unteren Gemächern des Landgrafenhauses hinabführt.
Ein herrliches, unversehrtes Stück der alten, künstlerischen Ausstattung des
Raumes ist die hohe Säule in der Mitte, welche die Balkendecke trägt. Be-
sonders reich ist das Postament der Säule verziert. An jeder der Ecken hockt
ein Löwe, der in den oberen Wulst des Capitells hineinbeisst (Abbildung S. 134).
Die Löwen, das berühmte Wappenthier der Landgrafen von Thüringen, haben
wahrscheinlich ganz besonders die Veranlassung gegeben, dass alte Tradition dem
Raum den Namen "Landgrafenzimmer" beigelegt hat. Das Capitell der Säule ist mit
vier Adlern verziert, die in den unteren Wulst hineinbeissen (also ganz ähnlich, wie
an der Säule in der Elisabeth-Kemenate und an der Säule des Speisezimmers, die
aus dem ehemaligen Hof der Landgrafen unten in der Stadt Eisenach auf die Wart-
burg gebracht ist). Die Gegenüberstellung der Thiere, unten die Löwen, oben die
Adler, beide die Sinnbilder ritterlicher Tugenden, ist mit grosser Schönheit durch-
geführt. Der Schaft der Säule ist aus einem Stein gearbeitet. Er hat die
stattliche Länge von 2,41 m. Die Basis ist 0,68 m hoch, das Capitell 0,38 m.
Der Schaft verjüngt sich stark nach oben. Der Umfang ist unten 0,99 m, oben
0,88 m. Siehe auch S. 133-136.
Die Balkendecke soll alt sein, doch die Oberfläche ist so glatt überarbeitet,
dass man von altem Holzwerk nichts erkennen kann. Der Unterzugbalken ist neu.
Die Höhe des Landgrafenzimmers ist 3,89 m. Neu geschaffen ist auch die Säulen-
architektur des Kamins, der um 1850 an den alten, noch aus der Zeit der Er-
bauung des Landgrafenhauses stammenden Schornstein angebaut ist. Neu ist auch
die Thür, welche jetzt in die (ebenfalls neu angebauten) Wohnzimmer der Gross-
herzogin führt. (Abbildung S. 72.) Die bis zum Jahre 1850 an derselben Wand
befindliche alte gothische Thür, die mit einem gothischen Kielbogen überwölbt
war, ist bei der Restaurirung leider wieder geschlossen, wohl weil sie nicht zu
den romanischen Idealen des restaurirenden Architekten stimmen wollte. Auf dem
Querschnitt von P uttrich aus dem Jahre 1847 (Abbildung S. 95) ist sie dargestellt.
Die Form des Kielbogens deutet auf das 15. Jahrhundert, vielleicht auch auf die
ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts. Eine frühere Entstehung dieser Bogenform
ist nicht wahrscheinlich. Die Thür ist somit erst ausgebrochen, als das hölzerne
Wohnhaus von 1318 schon 100 und mehr Jahre gestanden hatte. Zur bequemen
Verbindung des hölzernen Wohnhauses mit dem Landgrafenhause war diese
Thür sicher sehr zweckmässig. Noch im 14. Jahrhundert scheint man Bedenken
getragen zu haben, den festungsmässigen Charakter des Landgrafenzimmers an dieser
Stelle durch eine Thür zu gefährden. Die Thür, welche jetzt von dem Laubengang
in das Landgrafenzimmer führt, ist neu. Bis zum Jahre 1850 fehlte hier jede
Verbindung. Die Mauer war, wahrscheinlich aus Rücksicht auf die Sicherheit des
Burgherrn, fest geschlossen.
Wie die Fenster ursprünglich ausgesehen haben, lässt sich nicht mehr mit
völliger Sicherheit feststellen. Bis zum Jahre 1847 hatte das Landgrafenzimmer
vier hohe, schmale rechteckige Fenster, deren kunstlose, geradlinige Umrahmungen
auf die Zeit des 16. oder 17. Jahrhunderts deuten. Aber schon in romanischer
Zeit dürfen wir hier eine breite Fensteranlage vermuthen, ähnlich wie sie auch
im Sängersaal wiederhergestellt ist. Das Landgrafenzimmer hat bei der Restau-