135 Weimar. Wmmn, Stadtkirehe.
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Anfang wurde mit "Einreissen" gemacht, „der gantze steinerne Himmel (Gewölbe)
ausser den Bogen, so über dem kurfürstlichen Epitaph und Altare steht, mit vieler
Mühe eingeschmissen", das Dach erneuert, an der Nordseite drei Emporengeschosse
angelegt. Dann beabsichtigte man "nach unterschiedlichen Sessiones" eine Thür
vom Thurm in die Kirche zu brechen, sämmtliche steinerne Pfeiler zu beseitigen
u. dergl. Ein gnädigster Befehl des Herzogs gestattete das Durchbrechen der
Thurmthür, untersagte aber in wirklich kunstsinnigem Gefühl, bei höchster Un-
gnade, Gewölbe, Bögen, Gitter, steinerne Pfeiler etc. auch nur einen Zoll zu ver-
rücken. „So gerieth der ganze Bau ins Stocken, die Kirche wurde ad interim am
Himmel mit Brettern bedeckt und erwartete man, wann Gott seine Zeit ersehen
würde, dass dieses zerrissene Gotteshaus wieder in behörigen Stand gesetzet werden
könnte", d. h. die Baumeister liessen die Sache hängen, bis der Herzog starb.
Dies geschah 1728. INach weiteren 7 Jahren gab der Herzog Ernst August den
gnädigsten Befehl, der so lang still gelegene Bau sollte nun so viel möglich bald
zur Perfection gebracht werden. Eine neue Commission wurde ernannt, mit dem
Hofbaumeister Richter als Baumeister und Joh. Hoffmann als Zimmermeister. Zu-
nächst wurden nun die angelegten drei Geschosse Nord-Emporen wieder beseitigt
und dafür die zwei Geschosse Holz -Emporen auf Holzpfeilern angebracht, welche
in unschöner Weise die Seitenschiffe halbiren (so dass unten mit den alten,
steinernen Pfeilern vier Pfeilerreihen entstehen), die Gewölbe nun doch durch
"starke Bohlen" ersetzt, „auf jeder Seite Fenster durchgebrochen, auch die Seiten-
fenster, so nach der alten Art sehr enge und dunkel waren, weiter ausgebrochen".
Diese Fenster sind äusserlich als grosse, lange Rundbogen-Fenster (mit langweiligen
Einfassungen) geheuchelt, in Wirklichkeit aber innerhalb dieser Umrahmung für
die drei Geschosse unten und in der Mitte iiachbogige, oben kreisförmige, kleinere
Fenster, zwischen denen die übrig bleibenden Flächen leer und kahl geblieben sind.
Dies entstellt am meisten die mit ihren Strebepfeilern, ihrem hohen Dach und
Thurm sonst gar nicht üble Kirche. Die Chorfenster sind zwar auch (mit Be-
seitigung der alten Maasswerk-Fenster) nüchterne, aber wenigstens wirkliche, grosse,
durchgehende Rundbogen-Fenster. In die vier Ecken zwischen Chor und Langhaus,
bezw. Thurm und Langhaus wurden zweigeschossige, mit fiachbogigen Thüren und
Fenstern versehene Treppenhäuser gebaut, die südöstliche Sacristei unter [Be-
seitigung ihres Gewölbes und] Mauer-Erhöhung dazu benutzt. Abgesehen von der
Schaffung eines nun nöthig werdenden, neuen Raumes für die Sacristei in dem ersten
Südjoch des Langhauses, welches das Ziehen von Wänden gegen dasselbe (und Ab-
sperren des Lichtes, das auf die Denkmäler fiel) zur Folge hatte, und ausser einigen
Thür-Veränderungen, zwei Süd-Portalen und einem Nord-Einbau ist die Kirche seit-
dem unverändert geblieben; so auch die Innendecoration. Hier hat man nämlich
im 18. Jahrhundert in dem künstlich verlängerten Chor mit Benutzung der Reste
der alten Kreuzgewölbe gewissermaassen neue Gewölbe mit Kappen und Rippen
nachgemacht, aber in der Mitte durch eine darunter vertretende, geschweifte und ge-
bogene, dick umrahmte Spiegeliiäche verdeckt, dann im Mittelschiff und den Seiten-
schiifen des Langhauses Kreuzgewölbe nachgeahmt und die Gurte, Rippen und
Schlusssteine derselben durch antikisirende Flechtbänder, Lorbeerstränge und Kränze,
die Kappen auch durch einige Stuck-Umrahmungen mit Muscheln zu beleben gesucht;
die Pfeiler wurden schmucklos gelassen, nur oben mit schmächtigen, korinthischen