CORNETO
ORNAMENT AUS DEN CHORFRESKEN VON ANTONIO DA VITERBO IM DOM VON
KAPITELI Q BILDER_ Wer gegen den Schluss der Regierung
Sixtus IV. eine Pilgerfahrt durch die
IN ROM Q" Q Q Q Q Q altchristlichen Basiliken, durch die
gotischen und Renaissance-Heiligtümer der ewigen Stadt unternahm, der mochte
das Auge an zahllosen Dingen erfreuen, die heute längst dem Anblick und dem
Gedächtnis der Menschen entschwunden sind. Die architektonischen Verhält-
nisse der Kirchen sind fast immer verloren gegangen, geweihte Altäre und ehr-
würdige Grabmonumente haben dem Geschmack und den Ansprüchen späterer
Geschlechter Platz machen müssen, und die unbestechlichsten Zeugen ver-
gangener Kultur und Kunst, die Bilderkreise an den Hochwänden und in den
Familienkapellen wurden übermalt und zerstört. Ja, so unermessliche Ver-
luste wie Rom hat keine Stadt der Erde zu beklagen, aber keine Stadt der Erde
hat der Menschheit auch so erhabene Denkmäler des Denkens und Schaffens
Vergangener Geschlechter Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch erhalten.
Was war nicht schon alles unter den ersten Renaissance-Päpsten, was ist
nicht unter Sixtus IV. in Rom gebaut, gemeisselt und gemalt worden! Wie
tief stand es im Gewissen des Papsttums eingegraben, dass die alte Haupt-
stadt der Welt in der neuen Ordnung der Dinge als Sitz des Statthalters
Christi auf Erden den höchsten Interessen und Idealen der Menschheit das
Banner voraustragen müsse! S0 spiegelt sich auch die Entwicklung der
Renaissancekunst, vor allem in der Freskomalerei, nirgends so deutlich wieder
wie in Rom, wo doch keineinziger der grossen Meister geboren war. Aber
es zog sie alle ein tiefer, geheimnisvoller Zug in die ewige Stadt, der sie, bewusst
oder unbewusst, als höchsten Tribut der Dankbarkeit die erhabensten Zeugnisse
ihres Könnens zurückliessen.
Der Bildercyklus aus dem Leben Johannes des Täufers, welchen der
Umbrer Gentile da Fabriano im Jahre 1427 im Auftrage Martins V. in S. Gio-
vanni in Laterano begann und Vittore Pisanello einige Jahre später vollendete,
ist das erste grosse Denkmal der Renaissance-Malerei in Rom gewesen und
erregte als solches, obgleich schon im Jahre 1450 nicht mehr gut erhalten,
die Bewunderung des flämischen Meisters Roger van der Weiden Unter
Nikolaus V. haben zahlreiche Umbrer und Florentiner in Rom gearbeitet,
Pisanello und
Gentilc da Fabr
11110
1) Bartholomaeus Facius, De viris illustribus, Florentiae MDCCXLV, p. 48, giebt allein den
Inhalt des Dargestellten im Leben des Pisanello: Pinxit et Romae in Joannis Laterani Templo,
quae Gentilis D. joannis Baptistae historia inchoata reliquerat, quod tamen opus postea, quan-
tum ex eo audivi, parietis humectatione paene oblitteratum est. Bei ihm findet sich auch p. 45
im Leben des Gentile da Fabriano das Zeugnis der Bewunderung des Roger van der Weiden
für diesen Bilderkreis. Vgl. ferner Vasari ed. Milanesi Ill p. 6 und die Litteratur bei Pastor I
p. 181 Anm. I.
Steinmunn, Die Sixtinische Kapelle