Volltext: Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (Abth. 4, Bd. 2)

TRIUMPH 
ALTER. 
WELTAUSSTEL LUN G. 
dem wollte er nichts mehr wiffen von dem öffentlichen Leben in Paris und zog 
fich fchmollend in die Einfamkeit zurück. 
 In den letzten zehn Jahren befchäftigten ihn vielfach verbefferte Wieder- 
holungen feiner früheren Werke. Die Sicherheit feiner Kraft gerieth natürlich 
ins Schwanken. Einige Arbeiten laffen offen genug fenile Schwächen erkennen, 
während andere Wieder, wie die nQuelleu, die, allerdings ein Menfchenalter früher 
in Florenz begonnen, in gliicklichfler Jugendfrifche gefchaffen fcheint. Im Grunde 
behielt der Meißen die wuchtige Energie feines Wefens bis zuletzt; mit jugend- 
licher Heftigkeit {tritt er noch 1863 für die Rechte des Inftituts gegen die neuen 
Einrichtungen, wodurch der Akademie die Entfcheidung über d'en Prix de Rome 
genommen ward und die Ernennung der Profefforen an der Ecole des Beaux- 
Arts an den Minifter kam. 
Ingres War ein robufter Greis, klein von Wuchs, untcrfetzt; briisk in feinen 
Manieren, der DiPtinktiOn entbehrend. Wer ihn vorbeigehen fah, vermuthete zu- 
nächfi einen baskifchen Landpfarrer in Bürgertracht. Sein Kopf mit dem engen 
Schädel und breiten Kinnbacken, kleiner zurückiiiehender Stirn, kurzer Nafe und 
einem grofsen Mund mit vollen hängerifchen Lippen, die um fO mehr auffielen, 
als der Abftand von der Nafe ungewöhnlich grofs war, diefer Kopf mit dem 
braunen galligen Teint und dem gerade gefcheitelten, immer öligen Haar fchien 
zunächft das Gegentheil der Schönheit, befafs aber doch bei genauerer Be- 
obachtung viel Charakter und eine erftaunliche Kraft. Wenn fein fchwarzes Auge, 
durchdringend und forfchend, einen Menfchen verrieth, der über das Gewöhn- 
liche hinausragt, fo war doch fein Ausdruck meifl mifStrauifCh und hilft vICh 
höre noch feine apoftolifchen Bannflücheu, fchreibt ein Zeitgenoffß- 
Beruhigend und beglückend wirkte dann immer die Muflk, die [eine letzten 
Tage noch verfchönert hat. In der Nacht auf einen fefilichen Konzertabend 
zog er fich eine Erkältung zu, indem er aus dem Bette flieg, um nach dem 
Kaminfeuer zu fehen und wegen des Rauchs ein Fenfter zu öffnen. Am I4. Ja- 
nuar 1867 ift er geftorben. 
vDie Ingresfche Separatausftellung in der allgemeinen Weltausfiellung von 
1855 brachte auf die Fremden einen tiefen Eindrucklhewor. Die Franzofen 
felbfi waren davon überrafcht, weil das Werk des Meiiters llCll zum erften Mal 
als Ganzes darfiellte. Zerfireut würden alle diefe Bilder für viele Leute eine 
Diffonanz inmitten der zeitgenöffifchen Malereien gewefen fein. Vereinigt, wohl- 
geordnet in einem befonderen Raume für lieh, unterfiützten, erklärten fie ein- 
ander, erfchienen wie das Refultat einer beharrlichen Ueberzeugrmg; He maChten 
die höhere Lehre eines Künfilers aus, der fich an den reinften Quellen geläutert 
hatte; was für manchen oberflächlichen Richter nichts als eine Eigenthümlichkeit 
oder eine Schrulle gewefen wäre, wurde hier zur Erklärung von Prinzipien, eines 
beliimmten, abiichtlichen, bewufsten und durchgeführten Syitemsß  
S0 betrachten auch wir die Werke diefes Malers nicht in bunter Reihe, wie 
{ie nach einander entfianden find, fondern in ihrer Gefammtheit, wie iie {ich 
gruppenweife nach den Gattungen ordnen, denen üe angehören. Die äufseren 
Umflände des gleichmäßigen Lebenslaufes hatten wenig Einllufs auf ihren
	        
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