HANS
BURCKINLXIR.
Morizkapelle. Sie tragt die Jahrzahl, denKünftlernamen und die Angabe, dal's
lie in Augsburg gemalt worden. Maria reicht dem Kinde auf ihrem Schofse eine
Traube, nach der es in lebhafter Wendung langt. Nur das Dickbäuchige des
Körperchens ift noch ftörend, fonft iR das Kind wahrhaft anmuthig, im Kopfe
von fafl: rafaelifcher Schönheit. Ebenfo reizend iit der Kopf der Madonna, zier-
lich und elegant die Geberde ihrer linken Hand. Die Zartheit der Durchbildung,
die Harmonie und Kraft der Farbe, die bewundernswerthe Durchbildung aller
Theile, der fein empfundene Rhythmus aller Bewegungen kommen hier zufammen,
fo dafs diefes kleine Bild frch neben Meillerwerken der erPren Italiener fehen
laffen kann.
Dafs Burckmair gerade in diefem Jahre auf feiner Höhe Itand, mit fortge-
riffen von der Augsburger Renaiffance, die damals ihre erfien Blüthen trieb, an-
geregt durch einen unmittelbar vorhergegangenen Eindruck Italiens, wird noch
durch ein anderes NVerk bewiefen, welches die gleiche Jahrzahl trägt. nDCf
Tod als Würgeru könnte man diefe Darflellung betiteln. Es ift eine von jenen
damals in der nordifchen Kunfi immer wiederkehrenden Todesphantafien; das
plötzliche Hereinbrechen der gewaltigen Macht mitten in das Leben wird hier
fo fchlagend und erfchütternd gefchildert, wie das fonft nur noch bei den erheb-
lich fpäteren Todesbildern von Hans Holbein dem Jüngerem der Fall ifl.
Der Tod, noch kein vollftändiges Gerippe, hat fich blitzartig auf einen Jüngling
geworfen, ihn zu Boden geftreckt, kniet nun auf ihm und würgt ihn mit beiden
Händen, packt aber zugleich mit den Zähnen das wehende Gewand einer Frau,
die entfliehen will. Die Handlung in ihrem Iicheren-Ineinandergreifen aller Motive
ift von überwältigender Macht, die Führung der Linien von vollendeter Schön-
heit. Befonders intereffant ift hier zugleich die Scenerie; wir blicken in Venedig
hinein mit feinen Paläfien, feiner anmuthigen Frührenaiffance, die {ich feitwärts
in einem Portal entfaltet, und einem Canal, in dem eine Gondel an den Stufen
ruht. Diefes Blatt, von Joft Dienecker (oder De Necker) gefchnitten, ifl zu-
gleich als einer der früheften Helldunkel-Holzfchnitte bemerkenswerth. Man
hatte damals gleichzeitig an mehreren Orten in Deutfchland einen Anfang mit
der Clairobfctir-Technik gemacht, welche durch die Anwendung von mehreren
(zwei oder drei) Platten die Wirkung der auf farbigem, meift braunem Papier
ausgeführten, mit Weifs gehöhten Federzeichnungen erreichen folltg Blätter
derart von Cranach gehen bis in das Jahr 1506 zurück, bald darauf erfcheinen
diejenigen von Johann Wechtlin und Hans Baldung Grien in Strafsburg.
Auch Burckmair läfst fich die Ausbildung diefer Technik angelegen fein, in
welcher dann namentlich noch zwei vortreffliche Porträtköpfe von feiner Zeich-
nung, die des kaiferlichen Rathes Paumgartner und des Jacob Fugger,
hervorzuheben fmd.
Eine Zeit lang fcheint, wie das auch bei Dürer der Fall war, feine Thätig-
keit als Maler von feiner Arbeit für den Holzfchnitt zurückgedrängt worden zu
fein. Der Zufammenhang der deutfchen Kunft mit dem Druck war längfl be-
gründet, für diefen zu arbeiten, war den Künfilern gelegen, da fanden fie fichern
Erwerb und ein dankbares Publikum. Während die Produktion des Buchdrucks
unter Einfluss des Humanismus fich fieigerte, liefsen fich Maler erflen Ranges