Zu solcher Vollkommenheit konnten die altägyptischen Maler naturgemäss
nur infolge von Generationen langer Uebung in stufenweiser Entwicklung ge-
langen, und diese musste sich wiederum auch in Wandlungen des Stiles aus-
sprechen. Mit neuen Aufgaben in stilistischer Hinsicht steht meist auch eine
Vervollkommnung der technischen Fertigkeit im innigsten Zusammenhang.
Wenn wir also versuchen, aus stilistischen Merkmalen auf die Perioden der
Technik und umgekehrt von der äusseren Erscheinung der Malerei auf die
Perioden des Stiles Schlüsse zu ziehen, so können wir ein Bild der tech-
nischen Entwicklung gewinnen. Es sei freilich bemerkt, dass es, ohne
eingehendere ägyptologische Forschungen betrieben zu haben, schwer ist,
die Zeitperioden der malerischen Stilarten nach den technischen Einzel-
heiten genau zu bestimmen. Aber nach den genannten Anzeichen kann darauf
geschlossen werden, in welcher Reihenfolge die einzelnen Phasen auf
einander folgten. Wie lange jede einzelne Art der Technik in Uebung ge-
wesen sein mag, soll nicht Gegenstand der folgenden Aufstellungen sein.
Aeltveste
Art.
der
Maler
auf
Mumiensärgen.
Meist findet sich der innere Holzsarg in einen änsseren grösseren
von einfacherer Form eingesenkt. Malereien und Hieroglyphen bedecken die
inneren Wände des äiusseren Sarges, ebenso den ganzen inneren Sarg und in
späterer Zeit auch die Leinenumhiillungen der Mumien selbst. (Die steinernen
Sarkophage, zumeist hervorragenderen Toten angehörig, sind hier nicht in
Betracht gezogen, da ihre Ausschrnückung skulpturalen Charakters ist.)
Der obere Teil des Sarges, Kopf mit Brust, ist realistisch behandelt, die
Hautfarbe mit hellrotem oder gelbem Ocker angelegt, Konturen mit dunklerem
Rot gezeichnet, die Augen und Augenbrauen schwarz umrandet, das Kopftuch
und die Haare dunkel- oder blauschwarz bemalt, der Halsschmuck in ab-
wechselnden" Farben wie mit Perlenreihen verziert.
Die äussere Erscheinung gleicht einer liegenden Figur, deren Kopf bis
zu den Schultern eingehüllt ist. Das Ganze ist aus Holz gearbeitet und be-
malt. Der Deckel ist der Form gemäss etwas ausgehöhlt und enthält seitliche
Fugen, die in die Zapfen des unteren Teiles passen.
In stilistischer Hinsicht besteht die Bemalung, dem Charakter der
Umwiokelungen entsprechend, aus einfachen grösseren Querstreifen, auf denen
die den Toten und seine Reise ins Reich des Osiris betreffenden Szenen dar-
gestellt sind. Unter dem aufgemalten Halsschmuck breitet sich die geflügelte
Uräusschlange (Symbol der schnellen Macht über Leben und Tod), mitunter
auch die geflügelte Sonnenscheibe oder der Skarabiius, über die ganze ltlliiche
aus; dann folgen die Szenen: der Tote zwischen Anubis (Wächter der Toten-
stiidte, abgebildet mit dem Schakalkopf) und Horus (Licht- und Sonnengott,
abgebildet mit Sperberkopf), der die Taten abwägt; darunter die Szenen der
liibationen, Gebete und Opfergaben der Verwandten vor Osiris, dem Gott
der Unterwelt. Es folgen in Hieroglyphenschrift Stellen aus dem „Buch des
Wissens von der Unterwelt" und zu den Fiissen abermals geiliigelte Symbole
oder die schakalköpfigen Anubisgestalten als Geleiter der Seelen auf dem
Wege ins Jenseits. Auf den dargestellten Szenen sind die leeren Stellenl mit
nmasse unter Zurücklassung _der erwähnten Fäden, welche zu einer zitternden
„Gallerte, die zu einer hornartigen, durchsichtigen HaLut eintrocknete, und bei Auf-
"lösung durch Alkohol und Gallusinfusion augenblicklich zerstört wurde. Die auf-
ngequollenen Fäden trocknen in der Wärme wieder zusammen und verbrennen
„unter Geruch des Leims. Die Besehaflenheit des Leims und dieser Fäden machen
„es Wahrscheinlich, dass die Alten denselben aus harten Häuten, z. B. aus Rhinozeros-
,iellen l?) bereitet haben."
"In Beziehung auf die Kalkdecke der Sarkophage bin ich der Meinung, dass
„hiezu geschlämmte Kreide gedient habe. Denn die Grundierung zerfällt in kochendem
"Vllzlsser und hinterlässt, bei Auflösung in Säuren, erdige Beimischung, die nicht
„durcl1 Brennen in Mörtel-Cement umgewandelt gewesen sein konnte und die der
"Mischung der Muschelschalen abgeht."