Vierte
Vorlesung.
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der Wagerechten nähert; es tritt dann eine ausserordentlich
wichtige Einrichtung in Wirksamkeit, deren genauere Be-
trachtung uns zeigt, dass das obere Glied ausser der Be-
weglichkeit, welche es dem Schultergelenk selbst verdankt,
einen Zuwachs an Beweglichkeit durch die Gelenkverbin-
dungen des Schulterblattes mit dem Schlüsselbein und des
Schlüsselbeines mit dem Brustbein erhält.
Wenn man an einem aus der Leiche gelösten mit dem
Schulterblatt noch zusammenhängenden Oberarm die Be-
wegung, welche der Erhebung des Armes entspricht, auszu-
führen sucht, bemerkt man, dass in dem Augenblick, wo der
Arm wagerecht stehen würde, die Höcker des Oberarms an
das über der Gelenkgrube ausgespannte Schultergewölbe
(s. oben pag. 38) anstossen. Ganz dasselbe geschieht beim
lebenden Menschen, wenn er den Arm nach auswärts er-
hebt, und daher kommt es, dass der Arm, wenn er einmal
wagerecht steht, nur sehr schwer durch Bewegung im Schul-
tergelenk selbst, d. h. durch Gleiten des Kopfes in der Ge-
lenkgrube weiter erhoben werden kann. Dann tritt aber eine
andere Gelenkeinrichtung in Thätigkeit, nämlich das Schul-
terhöhen-Schlüsselbeingelenk; das ganze Schulterblatt pen-
delt um das äusserste Ende des Schlüsselbeines, seine untere
Ecke rückt nach aussen und vorne, seine obere Ecke, d. h.
die Gelenkgrube mit dem Schultergewölbe erhebt sich und
die Bewegung des Armes wird so durch den Lagewechsel des
Schulterblattes, welchen die Schultermuskeln vermitteln,
fortgeführt.
Es folgt aus diesen Thatsachen ein beachtenswerter
Wechsel in der äusseren Form der Schulter, von dem man
sich am besten überzeugen kann, wenn man die Schultern
bei einem Menschen, der die Arme über die Wagerechte
hinaus erhebt, vom Rücken aus betrachtet. Die Schulter
erhebt sich, und da diese Erhebung von einer Pendelbe-
Wegung des Schulterblattes begleitet wird, bleibt der innere
Rand dieses Knochens nicht in gleicher Richtung mit der
Wirbelsäule, sondern er nähert sich derselben mit seinem