Zweite Vorlesung.
Wenn die dehnende Kraft nachlässt, wieder zu seiner ur-
Sprünglichen Länge zurück. Es Wirkt nun aber eine jede
Beugung der Wirbelsäule nach vorne in der Weise, dass
die Wirbelbögen auseinanderweichen und also die gelben
Bänder ausgedehnt werden; wenn dann die Anspannung der
vorderen Rumpfmuskeln, welche diese Beugung besorgen,
nachlässt, so bedarf es zur Wiederaufrichtung der Wirbel-
säule keiner besonderen Thätigkeit der Rückenmuskeln,
die Elasticität der gelben Bänder genügt für diesen Zweck,
Sie verkürzen sich wieder auf ihre ursprüngliche Länge und
nähern die Wirbelbögen einander. Man kann also behaupten,
dass die Wirbelsäule an ihrer Rückseite zwischen je zwei
YVirbeln ein Paar kleiner, elastischer Federn besitzt, die sie
gestreckt erhalten, so dass also die Geraderichtung der
Wirbelsäule im Ruhezustand (wenn der Mensch nicht irgend
eine Last auf dem Rücken trägt) nur durch das Vorhanden-
Sein dieser elastischen Bänder bedingt wird.
Bei den grossen Fleischfressern (Löwe) und den meisten
unserer vierfüssigen Haustiere, ist ein langes elastisches Band,
das hintere Nackenband der Rückseite der Wirbelsäule
angefügt, welches den Schädel stützt, vom Hinterhauptsbein
entspringt, und sich an die Dornfortsätze des ganzen Hals-
teiles der Wirbelsäule ansetzt. Beim Menschen ist dasselbe
durch eine faserige Scheidewand angedeutet, welche in der
Mittellinie zwischen die Muskeln der rechten und linken Seite
der Nackengegend eingeschoben ist.
Die Wirbelsäule ist nicht geradlinigf Die Wirbelkörper
und die Zwischenwirbelscheiben sind in geringem Grade keil-
förmig gestaltet (vorne dicker, wie hinten oder umgekehrt),
und da diese Keile in den einzelnen Abschnitten verschieden
angeordnet sind, ergibt sich für die Gesamtheit der Wirbel-
Säule eine besondere Krümmung für jeden Abschnitt. Solcher
Krümmungen gibt es 3; von oben nach unten zunächst die
Nackenkrümmung in dem Halsteil der Wirbelsäule,
deren Rundung nach vorne gerichtet ist und ihren höchsten
Punkt entsprechend dem vierten oder fünften Halswirbel