Vierundzwanzigste Vorlesung.
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Krankheit die zuletzt erwähnte Störung ausschloss. Es
war ein alter Pflegling des Hospitals, der von aAnaesthesies
des Gesichtes befallen worden war, d. h. bei welchem die
Gesichtshaut gegen jeden schmerzhaften Reiz unempfindlich
war. Die Elektrizität konnte also bei diesem Kranken durch
die Haut hindurch angewandt werden, und ohne Schmerz zu
erregen die darunter liegenden Muskeln, welche ihre Fähig-
keit zur Verkürzung vollständig bewahrt hatten, und also
wie bei einem Gesunden wirkten, zur Zusammenziehung
reizen. Man konnte so jeden beliebigen einzeln in Thätigkeit
versetzen, z. B. den grossen Jochbeinmuskel sich zusammen-
ziehen lassen und dadurch dem Gesicht den Ausdruck des
des Lachens geben, ohne dass der Kranke Kenntnis davon
hatte, was sich in seiner Physiognomie abspiegelte. Sein
Gesicht. lachte durch die elektrische Erregung, während seine
Gedanken gleichgiltiger Art oder mit trüben Erinnerungen
beschäftigt sein konnten. Umgekehrt konnte z. B. durch
die Verkürzung des Augenbrauenmuskels seine Physiog-
nomie den heftigsten Schmerz ausdrücken, während seine
Gedanken immer noch bei gleichgiltigen, oder auch fröh-
lichen, lächerlichen Gegenständen verweilten. Kurz, Du-
chenne war so in die Lage versetzt, nach allen Regeln der
strengen Wissenschaft die Thätigkeit der Ausdrucksmuskeln
durch den Versuch zu prüfen.
Das Werk, in Welchem Duchenne das Ergebnis seiner
Arbeiten niedergelegt hat, ist besonders durch den gross-
artigen Atlas von Photographien, der demselben beigefügt
ist, bemerkenswertf); die Bilder wurden auf die oben an-
gegebene Weise erhalten. Diesen Photographien sind einige
von uns den nachfolgenden Beschreibungen beigefügte Fi-
guren (66, 68, 70, 72) möglichst getreu nachgebildet. Da
wir die Ergebnisse Duchennes hier nicht vollständig dar-
legen können, werden wir versuchen, Wenigstens soviel da-
Duchenne de Boulogne, Mäcanisme de 1a physionomie humaine
ou analyse älectrophysiologique de Pexpression des passions. Paris 1862,
mit einem Atlas von 74. Abbildungen.