Vorlesung.
Erste
zahl derselben dagegen von seinem Schüler Johann Kal-
kar, wie in der Vorrede zu der Baseler Auflage aus dem
Jahre 1543 angegeben wird.
Die bildenden Künste und die Anatomie gelangten also
zu gleicher Zeit und in engster Verbindung miteinander zu
neuer Blüte, und seit dieser Zeit hat man allgemein erkannt,
dass es für den Künstler notwendig ist, sich durch anatomische
Kenntnisse die Anschauungen zu eigen zu machen, die den
Griechen unmittelbar bei den gymnastischen Schaustellungen
sich darboten. Dementsprechend wurden, als Ludwig XIV.
im Jahre 1648 in Paris eine Akademie für Malerei und Bilcl-
hauerkunst gründete (Welche wenig später den Titel (rEcole
des beaux artsi) erhielt), ausser den eigentlichen Ateliers zwei
Unterrichtsklassen errichtet, um den Schülern diejenigen
Kenntnisse zu bieten, die als grundlegend und für die Aus-
übung ihrer Kunst unentbehrlich angesehen wurden, nämlich
eine Klasse für Perspektive und eine für Anatomie.
Wir können uns damit begnügen, durch die vorstehen-
den geschichtlichen Bemerkungen die Entwickelung der engen
Beziehungen zwischen Anatomie und bildenden Künsten an-
gedeutet zu haben, müssen aber noch die Frage erörtern,
welche Methode des anatomischen Studiums für den Künstler
die fruchtbringendste ist. Da nicht jede anatomische Be-
Schreibung dem Bedürfnis des Künstlers angepasst ist, wür-
den Wir bei Benutzung eines zu einem anderen Zweck ver-
fassten Lehrbuches Gefahr laufen, uns in überflüssigen Auf-
zählungen und unnötigen Beschreibungen zu verlieren und
dabei doch gewisse Einzelheiten zu vernachlässigen, die
gerade für uns von höchster Wichtigkeit sind, obwohl sie in
einem für das Studium der Medizin bestimmten Lehrbuch
als nebensächlich behandelt werden können. Wir müssen uns
vor allen Dingen fragen, von welchen Gesichtspunkten aus
der Künstler Anatomie treiben kann, und die Antwort wird
dahin lauten, dass die Anatomie ihm sicheren Anhalt zur Er-
kenntnis der Proportionen, der Formen, Stellungen
und Bewegungen des Körpers geben soll; und da eine