Volltext: Grundriss der Anatomie für Künstler

Erste Vorlesung. 
der Schulterniuskeln und des grossen Kopfnickers mit dem 
Messer voneinander zu trennen. 
Wir wollen nicht vergessen, dass Leonardo da Vinci in 
Seinem Lehrbuch der Malerei (Trattato della pittura) zahlreiche 
Kapitel der Beschreibung der Körpermuskeln und der Ge- 
lenke widmet,  der Bänder und Sehnen, die sich anspannen, 
wenn dieser oder jener Muskel zu dieser oder jener Bewegung 
sich zusammenzieht,  und dass er in diesem Lehrbuch mehr- 
fach auf ein Lehrbuch der Anatomie verweist, dessen Heraus- 
gabe er beabsichtigte und für das er schon zahlreiche Notizen 
gesammelt hatte, welche jetzt in der Bibliothek von Windsor 
in England aufgehoben werden. 
Auch Michel Angelo (1475  1564) hat in Florenz 
längere Zeit die Zergliederungskunst studiert und unter seinen 
Zeichnungen gute anatomische Skizzen hinterlassen, von 
denen einige von Choulant (a. a. O.) und von Söroux 
dlAgincourtx) veröffentlicht worden sind.  Endlich be- 
sitzen wir selbst von Raphael, als Beweise für seine ana- 
tomischen Studien, zahlreiche Zeichnungen, unter welchen 
als besonders bemerkenswert eine Skelettstudie zu nennen 
ist, die ihm als Anhalt für die Richtung der Glieder und 
Stellung der Gelenke bei der Figur der ohnmächtigen jung- 
frau in seiner ßGfablegLlllgb (Choulant, a. a. O. p. I5) dienen 
sollte. 
Wii- können diese kurze Aufzählung nicht schliessen, ohne 
noch die Namen von Titian und Andreas Vesalius zu 
nennen und darauf hinzuvsreisen, in wie inniger Studiengemein- 
Schaft damals die Künstler und Anatomen lebten.  Die 
Urheberschaft der wunderbaren Zeichnungen, die das Werk 
des unsterblichen Anatomen Andreas Vesalius (de humani 
corporis fabrica) schmücken, wird dem Titian zugeschrieben. 
Thatsächlich stammt, das müssen wir hinzufügen, allerdings 
nur ein Teil dieser Zeichnungen von Titian selbst, die Mehr- 
 Säroux d'Agincourt. 
1811. VI. p. 177. 
l'Art 
de 
Histoire 
monum ents. 
pur les 
Paris
	        
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