Neunte Vorlesung.
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in einer Ebene liegt, Rumpf und Schenkel ein zusammen-
hängendes Ganze bilden, dessen Teile gegen einander un-
beweglich sind, soweit es sich um eine weitere Streckung
handelt, und dass folglich, wenn ein Schenkel über die senk-
rechte hinaus nach hinten gestreckt werden soll, der Rumpf
in gleichem Mass nach vorne gebeugt werden muss, wie wir
eben an dem Beispiel des rechten Beines zeigten, bei dessen
Ueberstreckung Rumpf und Schenkel sich als ein Ganzes
in dem linken Hüftgelenk drehen.
Das Bertinsche Band, oder richtiger, seine unteren vor-
deren Faserzüge hemmen auch die Abduction, das Spreizen
der Schenkel. Da dieses Band bei der aufrechten Stellung
ausgespannt ist, erschwert es die Abduction, und beschränkt
sie in hohem Masse; wenn aber der Schenkel nur leicht
gegen das Becken gebeugt ist, wird das Band erschlafft und
die Schenkel können leicht gespreizt werden.
Die Adduction, oder die Annäherung der Schenkel
aneinander, zeigt die Eigentümlichkeit, dass sie bei senk-
rechter Stellung fast unmöglich, dagegen bei nur geringer
Beugung des Gelenkes sehr leicht auszuführen ist. Wenn
wir an einem Gelenk, an dem das Bertinsche Band durch-
schnitten ist, Bewegungsversuche machen, finden wir, dass
in gestreckter Stellung die Adduction noch gerade so schwer
ausführbar ist, wie wenn dieses Band erhalten wäre. Das
Hindernis für die Annäherung der Schenkel muss also an
einer anderen Stelle liegen, als in dem vorderen Teil des
Kapselbandes, und wir finden die Erklärung dafür in dem
Vorhandensein eines innerhalb des Gelenkes verlaufenden
Bandes. Dieses Band, das runde Band (ligamenturn
teres) setzt sich einerseits an die rauhe Stelle des Ober-
schenkelkopfes unterhalb seines Mittelpunktes an und anderer-
seits, indem es sich in zwei Schenkel spaltet, an die beiden
Ränder des Gelenkpfannenausschnittes. Da nun, wie Wir
früher gesehen haben, bei dem aufrecht stehenden Menschen
der Hüftgelenksausschnitt senkrecht nach unten gerichtet ist,
(S. pag. 76), verläuft bei dieser Körperstellung das runde