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Auch später, als die Herrschaft der Antike bereits
unbestritten War, wich man von den Typen derselben
gelegentlich ab, zum Theil mit zweckbewusster Absicht.
S0 zeigt sich dies in der Gestalt der Eva auf dem grossen
Bilde von Ang. Bronzino, Jesu alLimbo(Uff1cien).
Es liegt nahe, dass es sich hier darum handelte, dem
Charakteristischen der Frau und Mutter gerecht zu werden.
Aber auch sonst kommen Abweichungen vor. Franc.
Morandinils Grazien (Ufficien 1240) zeigen solche. Die
eine hat mehr runde, die andere (von der dritten sieht man
den Rücken) mehr konische Brüste, aber bei beiden zeigen
die Warzen abwärts, nicht wie bei den antiken nach vor-
wärts, beziehungsweise nach vorwärts und nach aussen.
Diese letzteren Abweichungen sind wahrscheinlich
lediglich unter den1 EinHusse der gewählten Modelle ent-
standen. Nach anderen Modellen hätte Morandini wohl
andere Brüste gemalt.
Unter den Brustformen der Antiken muss man nun
wieder verschiedene unterscheiden. Beginnen wir mit der
einfachsten Form. Die Brust kann dem Brustkorbc auf-
gesetzt sein wie ein Kegel, der in seiner Axe durchschnitten
einen Winkel von 90 oder mehr-l) Graden ergeben würde.
Dieser Form nähern sich die Brüste der Venus aus dem
Hause Braschi in München (GlyptothekM), mehr noch
die einer Nymphe von Canova, welche ich in Possagno
gesehen, deren nähere Bezeichnung ich mir aber leider
nicht gemerkt habe. Diese Brust kommt bei Frauen, die
Wenn ich nicht hinzufüge ßauch wenigerw, so will ich damit
nicht behaupten, dass dies nicht vorkomnie. Schon auf altügyptischen Monu-
menten sieht man Brüste, bei denen die Höhe mehr als die Hälfte des
Durchmessers der Basis beträgt, und noch jetzt sollen solche bisweilen an
den Töchtern von Fcllalfs gesehen werden: diese Brüste sollen später
sehr schlaff und hängend werden, so (lass man gelegentlich einem Fellah-
weibe begegnet, ivelches ein auf ihrem Rücken hockendes Kind mit über
die Schulter geschlagener Brust säugt.
iitiiß) Sie wird auf Grund von Münzfunrlen von einigen für eine
freie Nachbildung der knidischen Aphrodite des Praxiteles gehalten.