45
Dem unteren Theile des Vorderarnies wird bei Her-
kulesgestalteil oft eine Llngewöhnliche Breite gegeben. Eine
solche wird in der Wirklichkeit Wesentlich bedingt durch
den Raum, welcher das untere verflachte und verbreiterte
Ende der Speiche (Radius) mit dem neben ihr liegenden
unteren Ende des Ellenbogenbeines (Ulmz) einnimmt. Man
stellt also wesentlich die Breite, die Massigkeit der Knochen
dar. Dies mag bei Herkulesgestalten, die mehr oder weniger
der Ausdruck der plumpen Kraft sind, am Orte sein; im
übrigen aber muss man festhalten, dass die Kraft des
Menschen nicht in den Knochen, sondern in den Muskeln
liegt, und es würde in hohem Grade unpassend sein, die
übermenschliche Kraft eines Achill in ähnlicher Weise
charakterisieren zu wollen.
Beim weiblichen Unterarnl soll der untere Theil nicht
zu breit sein und der Tiefendurchmesser, der Durchmesser
von der Hohlhandseite zur Handrückenseite des Unterarmes,
soll nicht zu sehr gegen den QLlCl'ClLl1'Cl1I11CSSC1' zurücktreten.
Unterarme, bei denen dies der Fall ist, kommen namentlich
beim germanischen Stamme und bei Individuen von starkem
Knochenbau vor. Deutsche Bildhauer werden durch heimi-
sche Modelle leicht verführt sie nachzubilden. Es gibt zwar in
ihrem unteren Theile ziemlich breite Vorderarme, welchen
eine eigenthümliche Schönheit nicht abzusprechen ist. Bei
diesen ist aber nicht die Breite der Knochen das gestaltende,
sondern eine an der Aussenseite der Speiche und an der
Aussenseite der Ulm: etwas stärker als gewöhnlich ent-
wickelte Fettlage. Es kommt dieselbe nur an vollen, über-
haupt mit einem hinreichenden Fettpolster überzogenen
Armen vor. Solche Arme pflegen sich mit einer leichten
Einsenkung gegen die Handwurzel abzusetzen, wodurch sie
sich den Kinderarmen in ihrer Form einigermassen annähern.
Diese Arme sind zwar vorzugsweise von Meistern aus
der Zeit des Verfalles dargestellt worden, aber schon bei
Tizia n und bei Co r re ggio kommen sie vor. Wünschens-
wert ist eine gewisse Breite des unteren Theiles des Vorder-