Volltext: Schönheit und Fehler der menschlichen Gestalt

40 
Wenn man den Vorderarm in der Pronation etwa 
unter einem rechten Winkel beugt und ihn dabei so unter- 
stützt, dass der Oberarm eine horizontale Brücke bildet 
zwischen dem Schultergelenke und dem unterstützenden 
Gegenstande, so ist der zweiköpfige Armmuskel erschlafft 
und vermöge seiner Schwere senkt sich sein mittlerer, wenig 
an seine Umgebungen befestigter Theil, so dass sich der 
ganze Muskel bogenförmig krümmt, nach unten convex 
und nach oben concav. Dadurch erhält die untere vordere 
Seite des Oberarmes eine Begrenzung, deren Verlauf auf 
den ersten Anblick befremdet, weil man die Linie nicht 
in dieser Gestalt zu sehen gewohnt ist. Diese Linie, die 
leicht an jedem Modell zur Anschauung gebracht werden 
kann, darf nicht unbeachtet bleiben. Figuren mit in der 
Pronation gebeugtem und aufgelehntem Vorderarm sind 
nicht selten und in solchen muss die erwähnte Erscheinung 
dargestellt werden, um die Ruhe, welche sie in der Regel 
zeigen sollen, zum vollen und ungeschwächten Ausdrucke 
zu bringen. 
Obgleich die Antiken dem drehrunden weiblichen 
Oberarm das Wort reden und derselbe auch in der Wirk- 
lichkeit sehr geschätzt wird, so lässt sich doch nicht 
leugnen, dass er unter Umständen in Rücksicht auf die 
durch ihn erzeugten Linien weniger vortheilhaft sein kann 
als ein anderer, der sich der drehrunden Gestalt weniger 
eng anschliesst. 
Es gibt sehr schöne und für die künstlerische Dar- 
stellung sehr verwendbare Frauenarme, bei denen ver- 
möge einer kräftiger entwickelten Musculatur der dreieckige 
Schultermuskel (111. deliozkiczzs) stärker hervortritt und 
ausserdem die Muskelbäuche der Strecker und der Beuger 
je nach der Stellung und Action des Armes sich mehr 
oder weniger bcmerklich machen. Ein SOlChOf Arm erscheint 
nicht männlich, wenn nur die Knochen dem weiblichen 
Körperbau entsprechen und die Einschnitte zwischen den 
Muskelmassen nicht scharf hervortreten. Hiefür ist vor-
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.