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beim weiblichen. Es soll hier zwar kein grosser Zwischen-
raum vorhanden sein, wie dies bei den sogenannten Sitbel-
beinen der Fall ist; andererseits ist es aber auch nicht
nöt11ig, dass wirklich Berührung zustande kommt. Eben-
so verhält es sich mit der Berührung der Waden. Es ist
hier der Ort, auf ein paar Hilfslinien aufmerksam zu
machen, mittelst welcher man nicht nur ein lebendes Bein,
sondern auch jedes gestreckte Standbein einer Statue be-
urtheilen kann, dessen Zehen nach vorne gewendet sind.
Es sind dies zwei gerade Linien, die auf dem höchsten
Punkte des Fussristes einander treffen. Die eine geht von
der Mittelebene des Körpers in der Höhe der Schamtheile
aus, die andere von der Stelle, des seitlichen Umrisses
der Hüfte, an welcher der grosse Rollhügel unter der
Haut liegt. Nun dürfen die Knie bei geschlossenen Beinen
so weit von einander entfernt sein, dass die Kniescheibe
in die Mitte zwischen diese beiden Linien fallt, weiter nicht.
Die Kunst der Renaissance, selbst die der Früh-
renaissance, weist freilich einige stärker geschwungene
Beine auf, aber ich finde nicht, dass man ihr hierin folgen
soll. Die deutsche Renaissance zeigt gelegentlich geradezu
krummbeinige Gestalten. Man hat sie in neuerer Zeit bei
der Ausführung von Objecten im Geschmacke der deutschen
Renaissance an Ornamentalfiguren nachgeahmt, um dem
nStyl gerechte zu werden.
Diese stylgerechten Beine sind meistens in doppelter
Beziehung fehlerhaft, erstens ist das Knie zu weit nach
rückwärts durchgebogen, als 0b sein vorderes Kreuzband
(Lzgalrzelztzulz crucialuzn anierizzs) zu lang wäre, und zweitens
stehen die Knie mehr nach aussen als recht ist.
Bisweilen ist aber letzteres nicht der Fall, und doch
ist auch die Ansicht des Beines von vorne schlecht, und
zwar deshalb, weil das Bein so modelliert ist, als ob das
Schienbein in seinem oberen T heile in einer Weise nach
innen concav wäre, wie es zwar vorkommt, wie es aber
weder schön noch normal ist.