Volltext: Schönheit und Fehler der menschlichen Gestalt

ist ein wesentlicher Vorwurf, den man der modernen Kunst 
gegenüber der des Alterthunls und der Renaissance machen 
muss. Die Linien sind es, welche den ganzen Gesichts- 
eindruck gliedern, ihm ihr Gepräge, 0b edel oder unedel, 
ob klar oder verworren, aufdrücken. Wie wäre es sonst 
möglich, dass mit einfachen Contouren, ohne einen Schatten- 
strich, solche Wirkungen hervorgebracht werden könnten, 
wie sie thatsächlich hervorgebracht worden sind. Der Ein- 
druck des Körperlichen erreicht auch im günstigsten Falle 
nicht die lapidaren Wirkungen der Linien; ja er erreicht 
 in der Natur selbst nicht. Das wird bewiesen durch 
die allgemein bekannte Thatsache, dass der Porträtmaler 
sich sein Modell zurechtrückt, um es mehr en face oder 
en profil zu nehmen, je nachdem er sich davon das vor- 
theilhaftere Bild verspricht. Manches Gesicht macht en 
face einen ganz hübschen Eindruck, während ein Profil- 
portrat von ihm zu den unmöglichen Dingen gehören 
würde. Wenn uns die Unterschiede der dritten Dimension, 
der Tiefendimension, ebenso unmittelbar zum Bewusstsein 
gebracht würden, Wie die Umrisse, welche sich auf unserer 
Netzhaut zeichnen, so müssten wir in solchen Fallen en 
face denselben ungünstigen Eindruck haben, wie im Profil. 
Ich habe absichtlich die verschiedenen Stellungen 
und die verschiedenen Ansichten betont; denn dem Meister 
ist es möglich, auch Modelle, an denen sehr viel zu tadeln 
ist, so anzuordnen, dass man seinen Linien Anerkennung 
nicht versagen kann. Ein auffälliges Beispiel dafür ist 
P. P. Rubens. Seine Modelle, die Kinder abgerechnet, sind 
fast durchwegs gemein, namentlich die weiblichen. Es sind 
feiste flandrische Mägde, zwischen zwanzig und dreissig 
Jahren. Manchmal verdirbt die Gemeinheit der Modelle auch 
alles, wie z. B. in den drei Grazien, die man nur n1it Lachen 
oder mit Ekel ansehen kann. Manchmal aber überwindet 
das Genie alle Hindernisse. S0 in der Nymphe der 
Diana (nach anderen Diana selbst), welche in der Rechten 
den Speer, im linken Arme die jagdbeute tragt, hinter
	        
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