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von der Gestalt des Beckens. Aber auch mit der Neigung
des letzteren scheint die Erscheinungsweise unserer Linien
in engem Zusammenhange zu stehen, ferner mit der Stellung
des Halses des Oberschenkelbeines, denn es ist klar, dass
bei steiler Stellung desselben der Trochanter mehr unter-
halb der Linie liegt, um welche sich die Oberschenkel
bei der Beugung gegen den Rumpf drehen, als dies bei
horizontal gestelltem Schenkelhalse der Fall ist. Diese
Linie geht ja durch die Mittelpunkte der Oberschenkelköpfe.
Bei manchen sehr schönen Figuren, welche uns das
Alterthum und die Renaissancezeit hinterlassen haben,
laufen die Linien der Schenkelbeuge unter sehr stumpfem
Winkel zusammen und bilden dabei, während die eigentliche
Beckenlinie verwischt ist, die Hauptgliederungslinien der
Gestalt, an der dann die Schenkel auch mehr gegen den
ganzen Rumpf als gegen den Bauch abgegliedert sind.
Das Alterthum hat uns ferner eine Reihe von Bild-
werken hinterlassen, bei denen die Schenkel nur vom
Schamberge oder wenig darüber hinaus durch eine be-
stimmte und leicht zu verfolgende Linie abgegrenzt sind,
während das übrige Grenzgebiet zwischen Rumpf und
Schenkeln nur weiche Uebergänge aufweist. Auch in der
Renaissance finden sich solche Gestalten, wenngleich hier im
allgemeinen deutlichere Abgliederungen vorgezogen werden.
Im Alterthurne sassen eben die Menschen weniger als in
der späteren Zeit, sie lagen mehr und standen mehr.
Was besser sei, deutlichere Abgliederung oder weiche
Uebergänge, hängt von Umständen ab. Erstere kann nament-
lich bei monumentalen und bei Ornamentalfiguren mit Rück-
sicht auf die Fernwirkung vorgezogen werden, während man
letztere da Wahlen wird, wo es sich um einen geringeren
Abstand und um eine Schönheit handelt, die sich der Be-
Schauer etwa in Fleisch und Blut übersetzt denken könnte.
Bemerken muss ich noch, dass sich unter Umständen
an der Hüfte drei Furchen übereinander zeigen, freilich
seicht und verschwommen, so dass sie nur bei geeigneter