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sehr ähnlich. Als ich den am meisten eingezogenen Punkt
des Knickes manuell untersuchte, kam ich auf das vordere
Ende des Darmbeinkammes, den vorderen oberen Darm-
beinstachel. Es unterlag also keinem Zweifel, dass dieser
den Knick verursachte, und ebensowenig konnte es zweifel-
haft sein, dass auch in den antiken Bildwerken der
Knick auf diesen zu beziehen sei. Fragen kann man nur,
0b bei manchen Antiken, bei denen die Entfernung der
Scheitel der einspringenden Winkel von einander geringer
ist als beim Apoll des Belvedere und geringer, als sie
bei diesem Modell war, wirklich die Natur noch gewissen-
haft benutzt ist, oder 0b man sich hier von derselben
entfernt hat.
Ich habe später in Wien durch gütige Vermittlung
des Herrn Bildhauers Professor Kühne noch ein zweites
Modell gesehen, welches den antiken Schnitt zeigte. Es
war gleichfalls ein Venezianer. Der Mann, ein früherer
Gondolier, war älter, und, obgleich er sonst nicht fett-
leibig war, so hatte sich doch in den Flanken eine ziem-
liche Fettdecke gebildet, die von den Weichen nach abwärts
beträchtlich über den Darmbeinkamm hinabreichte und
machte, dass der quere Ast der typischen Beckenlinie
noch weniger aufsteigend, mehr horizontal verlief, als bei
dem früher erwähnten Modell. Auch an den Antiken finden
sich in dieser Beziehung Verschiedenheiten, und der Ver-
lauf des queren Astes unserer Linie ist nicht allein von
der Form und Stellung des Beckens abhängig, sondern
auch von der Fettablagerung, insofern diese auf Erhebung
oder Vertiefung der Oberfläche Einfluss übt.
Niemals aber hat man an antiken Bildwerken in
dem queren Aste unserer Linie den Verlauf des Darm-
beinkammes selbst zu sehen, sondern den einer Ein-
senkung unterhalb desselben. Der Darmbeinkamm bildet
die knöcherne Grundlage des unteren Theiles der Hervor-
ragung, welche, da ihr oberer Theil weich ist, als Weichen-
wtilst bezeichnet wird.