93
YVird das Schnürleib erst in dieser späten Periode angelegt,
so kann es nicht so bald, nicht in der Zeit, wo das Indi-
viduum überhaupt noch als Modell zu gebrauchen ist, den
Rücken desselben verderben. Es genügt dann, dassdas
Schnürleib für einige Zeit abgelegt werde, um die früheren
Formen wieder herzustellen. Weniger lässt sich dies vom
Bauch behaupten, der leicht auch später noch bleibend
deformiert wird, namentlich durch einen oder mehrere
garstige Querfalten in der Unterbauchgegend. Schlimmer
sind die Verwüstungen, welche das Schnürleib, und zwar
nicht nur für den Bauch, sondern auch für den Rücken
bei denen anrichtet, welche es schon vor oder während
der Entwickelung angelegt und auch thatsächlich für ihre
Toilettenzwecke benützt haben. Diese sind als Modelle
unbrauchbar.
Den verschnürten Körper erkennt man in seiner
Rückenansicht leicht an dem Abfall, der sich in der Linteren
Thoraxgegend zu beiden Seiten der Wirbelsäule zeigt,
und an der dadurch bewirkten Verschmächtigung, die sich
dann, wenn man Weiter nach abwärts geht, krass gegen
die durch das knöcherne Beckengerüst in ihrer Lage er-
haltenen Hüften absetzt.
Ein solcher Rücken ist widerwärtig hässlich, und
man würde kaum glauben, dass es einem Künstler einfallen
sollte ihn darzustellen, wenn nicht doch einzelne Beispiele
davon existierten.
Im allgemeinen hört man die Künstler weniger über
den Mangel an guten Modellen für den Rücken klagen,
als über Mangel an guten Modellen für die Brust, für den
Bauch und für die Füsse. Es ist dies auch begreiflich, denn
abgesehen vom Corset und vom Binden schwerer Röcke
oberhalb der Hüften, bringen die Lebensgewohnheiten der
jetzigen Mädchen nichts mit sich, was den Rücken besonders
schädigte, und während für Bauch und Brust mit den fort-
schreitenden Jahren die Schönheit so leicht verloren geht,
ist dies für den Rücken in viel geringerem Grade der Fall.