Knochenlehre.
Spezielle
nämlich auseinander und bilden gerade im-Bereich der Stirnglatze und
der Augenbrauenbogen die Stirnhöhlen (Sinus frontales). Sie erstrecken
sich oft bis zu den Stirnhöckern hinauf und bis in die Wangenbeinfort-
satze hinein. Stark vorragende Arcus superciliares und ein vorspringen-
der Nasenwulst lassen auf große Geraumigkeit der Stirnhöhlen schließen.
Man hat die Stirnhöhlen die ganze Größe der Stirnschuppe einnehmen gesehen,
was bei einigen Pachydermen (Schwein, Elefant) Regel ist. Die monströse Größe des
Kopfes bei letzterem Tiere beruht auf der enormen Größe der Stirnhöhlen. Die Kom-
munikation der Stirnhöhlen mit der Nasenhöhle, deren Schleimhaut sich in die Stirn-
höhle hinauf fortsetzt, erklärt den dumpfen Stirnschmerz bei höheren Graden von
Schnupfen. Da die Sinus frontales durch Auseinanderweiehen des Knochens ent-
stehen, so kann die vordere Wand des "Knochens brechen oder eingeschlagen werden
ohne Eröffnung der Schädelhöhle. Wird dabei gleichzeitig die Haut verletzt, so kann
die Luft beim Schneuzen aus der Wunde entweichen. HYRTL sah eine solche Ver-
letzung an einem Stallknecht durch den Hufschlag eines Pferdes. Die Wunde blieb
lange Zeit oEen. Wenn der Verletzte sich die Nase zuhielt, konnte er mit der Stirn-
tistel ein Wachslicht ausblasen. Ich habe einen jungen Mann gesehen, dem die
Kugel, in selbstrnörderischer Absicht gegen den Kopf getrieben, nur die vordere
Wand der Stimhöhlen durchschlug, ohne irgend welche Störung des Gehirns zu ver-
ursachen. Sie wurde durch den harten Knochen plattgeschlagen und später ohne
Nachteil entfernt.
Die Stirnhöhlen und damit die Vertiefung der Nasenwurzel entwickeln
sich erst mit der Reife des Organismus. Sie treten zwar schon im
zweiten Lebensjahre als flache Buchten auf, wachsen aber langsam und
erreichen ihre volle Ausbildung erst mit der Mannheit. Deshalb wird
mit Zunahme des Alters die ganze Erscheinung des Profils markiger. Die
charakteristischen Verschiedenheiten der Stirnbildung eines und desselben
Individuums in verschiedenen Lebensepochen lassen sich an Statuen und
Büsten und an chronologisch geordneten Münzen von Regenten studieren,
die ein hohes Alter erreichten, so z. B. an den Medaillen LUDWIGS des
Vierzehnten. Bei den Griechen und auch bei den Römern, die sich
ja von dem griechischen Genius der Kunst leiten ließen, fehlt bei Ideal-
statuen die Einsenkung an der Nasenwurzel. Den Übergang von der
Nase zur Stirn bildet eine gerade Linie. Man hat damit ein seltenes
Vorkommen zur Regel erhoben. Die sogenannte „griechische Nase" ist eine
konventionelle Form; nur während der Entwickelung des Menschen ist
der Übergang von der Stirn zur Nase flach. Das Festhalten dieser
Bildung für die unsterblichen Götter sollte den Statuen oifenbar den
Stempel der ewigen Jugend aufdrücken helfen. Exzessive Entwickelung
des Nasenwulstes und der Arcus superciliares beschattet die Nasenwurzel
und die Augen. Diese treten tief zurück, und der Ausdruck nicht allein
des Lebenden, selbst des Schädels erhält etwas Geschlossenes und Sicheres.
Für die Gesamtheit der Gesichtsform ist die Richtung des Stirn-
beines zu der Horizontallinie durchaus nicht gleichgültig; sie hat für den
Künstler entschieden physiognomischen Wert, wenn auch dieser Gesichts-
53