Abschnitt.
Zweiter
überläuft dabei die Oberfläche des Körpers; sie wird blaß, denn die si 1h
verkürzenden Muskeln heben nicht allein die Haartasche in die Höhe,
sondern verhindern durch Zusammenziehen des in ihrem Bereich beünd-
liehen Gewebes teilweise den Zutritt- des Blutes in die oberen Schichten
der Lederhaut.
Die Farbe der Haare durchläuft alle Nüancen vom Schneeweiß bis
Pechschwarz. Sie rührt im ersteren Fall von dem Fehlen des Farb-
stoifes her, in letzterem Fall von einer diffusen Färbung, welche die
kleinen Zellen und Zellenkerne erfüllt oder in mikroskopisch kleinen
Körnern durch den ganzen Haarschaft zerstreut ist. Daher rührt der
Grundton der Haare. Dazu kommt aber, daß dieser Grundton durch
mannigfache Einflüsse geändert werden kann. Um den auffallenden
Wechsel der Färbung zu verstehen, muß man sich daran erinnern, daß
die Haare ebenso wie die Oberhaut und die Nägel bis zu einem ge-
wissen Grade durchsichtig sind, und zwar um so mehr, je heller sie sind,
ferner, daß sie im stande sind, Wasser, Öle und andere Substanzen in
sich aufzunehmen und längere oder kürzere Zeit zurückzuhalten. Die
beträchtliche Umänderung der Farbe nach der Durchfeuchtung ist all-
gemein bekannt, und dies gilt von den Haaren des Menschen wie der
Tiere. Daß das jHaar, so wenig wie Oberhaut und Nagel, nicht als
ein abgestorbener Ejektionsstoff der Haut angesehen werden könne, be-
weisen die mit der Lebensthätigkeit der Haut übereinstimmenden und
durch sie bedingten Lebenszustände desselben. Aus dem Verhalten der
Haare ziehen Ärzte, Haarkünstler und Laien ihre Urteile. Sie sind
Weich und glänzend bei kräftiger, gesunder BeschaHenheit des Indivi-
duums, trocken und spröde beim Verfall der Kräfte. Selbst kurz vor-
übergehende Störungen des Wohlbefindens können sich in ihrem ver-
änderten Zustand abspiegeln. Das plötzliche, nach wenigen Stunden
erfolgte Ergrauen der Haare durch Verzweiflung oder durch die Schrecken
ängstigender Phantasmen im Säuferwahnsinn zeugt deutlich von
der lebendigen Thätigkeit im Haar.
Die Enden langer Haare sind in der Regel heller als ihr Anfang. Sie verlieren,
weiter vom Körper entfernt, ihr natürliches Fett, ebenso die von der Haarwurzel aus
in sie übertretende Ernährungsiiüssigkeit. .Es entstehen dann kleine Risse, in welche
Luft eindringt, Wodurch die lichtretlektierende Kraft vermehrt wird.
Die Form des Haarschaftes ist wie seine Stärke den verschiedensten Schwan-
kungen unterworfen. Bei dem Europäer ist die Form in der Regel etwas abgeplattet,
so daß der Querschnitt des Haares oval wird; in manchen Fällen ist freilich der
Schaft vollkommen rund. Dabei kann er gerade sein und steif wie die Mähne eines
Pferdes nach abwärts fallen, zuweilen jedoch sind die Haare leicht gelockt, ja selbst
gekräuselt. Wollhaare, wie sie den Haarschmuck des Negers oder .des Papua aus-
zeichnen, sind bei uns als seltene Ausnahmen zu verzeichnen. Sie haben bei den
farbigen Naturvölkern, wie die Untersuchung gezeigt hat, einen nahezu platten, zu
beiden Seiten zusammengedrückten Schaft, der offenbar durch ungleiches NVachsturn
sich häufig dreht und biegt. Seltsame eckige und kantige Formen des Haarsehaftes