Zweiter Abschnitt.
strahlen beigemengt, je nach der Art des Pigmentes. Die tiefsten Lagen
der Oberhaut, welche unmittelbar der Cutis aufsitzen, enthalten nämlich
bei den brünetten Europäern etwas braunes oder braunrötliches Pigment.
Die durch diese Schicht gedrungenen und wieder zurückkehrenden Strahlen
sind farbig nach der Farbe des Pigmentes und geben dem Teint einen
gleichmäßigen Ton, welcher bei gesunden Individuen europäischer brünetter
Rassen, von denen hier zunächst die Rede, gelbrötlich ist. Die Haut er-
hält jene leuchtende Kraft, jenen Groldton, welchen TIZIAN und mit ihm
die venezianische Schule ganz besonders hervorgehoben hat.
Jeder Beobachter kennt die beträchtlichen Verschiedenheiten des Kolorits bei
verschiedenen Brünetten und Blonden. Bald hat der Grundton eine ganz schwache
Zumischung von Blau, bald von Grün. Und diese lilarbennüancen können sich über
die ganze Haut erstrecken oder nur einzelne Bezirke betreffen. In der oben gegebenen
Erklärung von dem Inkarnat win-de der Gang der Lichtstrahlen so dargestellt, als 0b
sie durch die Zellschichten der Oberhaut und die Faserlagen der Cutis, wie durch
verschieden gefärbte aber klare Flüssigkeiten hindurchgingen. Die beiden Abteilungen
der Haut sind aber in Wirklichkeit durch die darin vorkommende Ernährungstlüssig-
keit und ihre spezifische, chemische Beschaffenheit leicht getrübt. Diese Trübung ist
der Grund, Warum die zurückkehrenden Lichtstrahlen bald einen mehr bläulichen
oder einen mehr grünlichen Ton als Beimischung erhalten.
Alle diese Farben und Farbentöne sind abhängig von der Natur der Unterlage
und der Richtung, welche die durch die Oberhaut zurüekkehrcndcn Strahlen erhalten.
Die Haut des Toten reflektiert weniger Licht als die des Lebenden, weil sie un-
durchsichtiger geworden ist. Die in den tiefen Schichten der Lcder- und Oberhaut
befindliche Ernährungsilüssigkeit trübt sich mit dem Erkalten des Körpers. Wenn
dann die Fäulnis ihre roten und blauen Flecken auf die Körper der Entseelten malt,
dann sind dies Vorgänge, welche auch nur durch einen gewissen Grad von Durch-
sichtigkeit der Haut erkennbar werden können. Sie deuten auf die zerstörende Arbeit
der Zersetzung, die in der Lederhaut beginnt und durch die Oberhaut hindurch für
unser Auge bemerkbar wird.
Als die plastische Kunst nach dem Stein griff, um ihren Werken eine größere
Dauer zu geben, da fand sie in dem Marmor ein Material, das die Eigenschaft der
Haut, die Durchsichtigkeit, bis zu einem gewissen Grade besitzt. In die Oberfläche
des Marrnors, und in noch höherem Grade in die des Alabasters dringen Lichtstrahlen
ein und durchleuchten ihn ähnlich wie die menschliche Haut. Man spricht wohl des-
halb von einer "Wärme" des Marmors. Könnte man ihn mit der Farbe des Inkarnats
versehen, ohne die Durchsichtigkeit zu zerstören, so würde die Lebenswahrheit der
Marmorstatuen vollkommen sein. Der Gips, von dessen Oberfläche alle Strahlen re-
flektiert werden, erscheint im Vergleich zu Wachs und Marmor "kalt."
Leichte Trübung der Medien verändert in höchst auffallender Weise die Farbe
des Lichtes. So ist die untergehende Sonne rot, weil ihr sonst weißes Licht durch
die mit Wasserdampf gesättigten Luftschichten hindurchgeht.
Die Epidermis der Hohlhand zeichnet sich, wie die an allen Beugeseiten der
Gliedmaßen, in der Regel durch ihre Weichheit aus. Sie kann aber, wie die hornigen
Fäuste gewisser Handwerker beweisen, sich bis auf mehrere Millimeter verdicken.
Dann bildet sie eine dicke Schichte von hornartiger Beschaffenheit und das Licht
kann nur in äußerst geringer Menge bis in die Lage der blutgefaßführenden Leder-
haut dringen. Solche Stellen sind daher grauweiß wie z. B. die Ferse. Selbst
bei dem Neger besitzt das Innere der Hand keine dunkle Färbung mehr.