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Zweiter Teil.
Dritter Abschnitt.
Solange die Schwerlinie zwischen die beiden Füße fallt, kann man kein
Bein vom Boden aufheben, denn sobald dies geschieht, würde der Schwer-
punkt nicht mehr unterstützt sein, und der Mensch würde nach der
betreffenden Seite hinüberfallen. Wenn aber der Körper soweit auf die
eine Seite herübergebracht ist, wie in Figur 247, dann ist das eine Bein
frei und vermag verschiedene Verwendung erfahren.
Das Gefallige jeder Körperstellung (die absichtlich für Ruhe be-
stimmte ausgenommen) liegt in der anseheinenden Leichtigkeit, mit der
sie verändert werden kann. Daher ist in der stehenden Figur 247 die
Stellung gefallig, denn das Gewicht des Körpers wird hauptsächlich von
einem Fuße getragen, während der andere so gestellt ist, daß er das
Standbein leicht ablösen kann.
Die Art der Stellung hat auch mimischen Wert. Die feste Stellung
der Beine zeigt Mut oder Trotz; Das Vortreten deutet auf Verlangen
oder Angriff. Das Zurückziehen zeigt Abscheu oder Furcht, das Knieen
Demut, Unterwerfung. In den heftigsten Gemütsbewegungen rücken Hand
und Fuß auf derselben oder der entgegengesetzten Seite, zusammen vor.
Die Leidenschaften, die uns zum Gegenstande hinziehen, wie Liebe, Ver-
langen, Zorn, Rache, veranlassen dieses Vorrücken zugleich mit Kopf und
Leib. Der borghesische Fechter ist auch in dieser Beziehung lehr-
reich, er zeigt das Vorrücken von Kopf und Leib, wobei jedoch die ein-
ander entgegengesetzten Gliedmaßen ausgreifen, nämlich der linke Arm
und das rechte Bein. Dabei ist das rechte Bein unter die Schwerlinie
des vorgestreckten Rumpfes gestellt; ohne diese Position erhielte der Be-
schauer den Eindruck des Stürzens. Bei der Figur 248 wird ein völlig
unbefangener Beschauer, der sich zunächst an die bekannte Figur nicht
erinnert, die Vorstellung erhalten, als sei eine nach vorn fallende Figur
hier dargestellt. Denn nach allen unseren Erfahrungen muß ein, in solcher
Lage befindlicher Oberkörper zur Erde stürzen. Erst dann, wenn man
die durch Linien angegebene Richtung der Beine ins Auge faßt, fällt
diese Vermutung fort, denn es wird sofort einleuchtend, daß das vordere
Bein den Rumpf unterstützt. Bei dem Fechter ist dabei die Figur in
dem Moment dargestellt, in welchem das Gewicht des Körpers von einem
Bein getragen wird, während das andere so gestellt ist, daß es leicht
ablösen kann. Wir wissen, daß jetzt im nächsten Moment das Standbein
sich strecken und dann das andere zu einem weiteren Schritt nach vor-
wärts schwingen kann. Das macht uns den Eindruck leichter Beweglich-
keit und der vorgebeugte Oberkörper denjenigen des Vorwärtsstürmens.
In einem direkten Gegensatz zu dem inneren Wesen des angreifen-
den Fechters steht die Figur 249, "die eines fliehenden Mannes. Auch
sein Körper ist vorgebeugt, auch der Schwerpunkt seines Rumpfes bedarf
der Unterstützung, denn der rechte Arm, der 039111931- I-Ialt an einem
breiten festen Gegenstand hat, kann den fallenden Körper nicht mehr