Anatomie
Weibes.
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Figur 227 ist er groß. Auch bei den Antiken kommen solche weit aus-
einanderstehende Brüste vor, wie bei der barberinischen Juno, während
sie bei der kapitolinischen Venus einander nahegerückt sind. BRÜCKE
meint, die Form des Brustkorbes sei der Grund dieser Verschiedenheiten,
und zwar bedinge flacher Thorax weitabstehende Brüste. Für ihr Studium
ist noch beachtenswert, daß die Warze mit dem Warzenhof tief liegen
oder erhöht sein kann. In der Brustwarze und um dieselbe herum liegt
ein Lager von sich sehr langsam bewegenden Muskelfasern. Wenn sie
sich zusammenziehen, so erhebt sich die Warze, wenn sie erschlaffen, so
verschwindet sie fast und der Kontur der Warze geht wie bei den Antiken
allmählich in den Kontur der Brust über, wie an der "Nacht" von
MICHELANGELO oder an manchen neueren Kunstwerken. Es werden hier
zwei verschiedene Zustände der Brustwarze zur Darstellung gebracht, die
Warze im aufgerichteten und die Warze im erschlafften Zustande.
Tiefer Ansatz der Brüste hängt mit einer mangelhaften Form des Brust-
korbes zusammen, bei dem die Rippen in der Mittellage zu stark nach
abwärts gerichtet sind.
Die Fläche zwischen dem Schlüsselbein, den Brüsten und den
Schultern ist bei den Frauen leicht gewölbt, aber sonst ohne auffallende
Hervorragungen und Vertiefungen. Die Übergänge zu den Schultern sind
weich. .Die Halsgrube darf nur leicht eingedrückt sein, ebenso die obere
und untere Schlüsselbeingrube und das Schlüsselbein soll nicht hervor-
treten (Eig. 17 u. 18). Mit dem Heben und Senkengdes Kopfes treten
manche Veränderungen auf, die aber nicht so bedeutend sind, wie jene,
welche durch das Heben und Senken der Arme hervorgerufen werden.
Wie beträchtlich die Veränderungen bei dem Heben der Arme sind, zeigt
die Figur 227. Das Schlüsselbein hat eine aufsteigende Richtung und
die Haut und der Brustmuskel bilden am unteren Rand des Schlüssel-
beines eine tiefe Falte, die nach vorn gegen die Brust allmählich ausläuft.
Zwischen der Brust und der Schulter liegt als Bestandteil der vor-
deren Wand der Achselhöhle eine Hervorragung, welche an zahlreichen
Antiken und namentlich an der Venus von Milo sehr schön ausgeprägt
ist. Am lebenden Modell hängt sie ab von der kräftigen Entwickelung
des Brustmuskels (Fig. 192 von dem Manne) und von einer mäßigen, nicht
zu starken und auch nicht zu schwachen, Fettdecke. Sie bewirkt den
schön geschwungenen Übergang zu dem Arm.
Die Schultern sollen gut gewölbt sein, wie in den Figuren 228 und
236. Sie sollen nicht zu hoch und nicht zu tief stehen. Ein häufiger
Fehler ist die mangelhafte Entwickelung des Deltamuskels, die wohl auf
zu wenig Ubung beruht. Dieser Muskel hebt den Arm hoch, wie beim
Pflücken der Früchte von einem Baum und dergleichen. Bei jungen
Mädchen höherer Stände beengt die Kleidung den Gebrauch des Armes,
und führt so allmählich eine Verkümmerung herbei. Fettablagerung kann