Anatomie
des Weibes.
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genannten zweiten Blüte befinden; kommen oft sehr schöne Arme zur
Entwickelung, nicht durch Zunahme der Muskulatur, sondern durch Zu-
nahme des Fettes. Es kommt dadurch- eine größere Übereinstimmung
mit dem übrigen Körper zu stande, denn man wird zugestehen, daß die
Arme des Mädchens (Figg. 227, 228) etwas zu schwach sind im Ver-
gleich mit dem übrigen Körper. Die stärkere Ablagerung von Fett im
Bereich der Arme vollzieht sich bei den Frauen erst nach dem 30. Jahre
und später (zweite Blüte).
Die Brüste liegen auf dem großen Brustmuskel und sind mit ihm
durch derbes Gewebe verbunden. Eine wohlgeformte, pralle weibliche
Brust reicht mit ihrer Basis von der dritten bis zur sechsten Rippe.
Tiefer stehende Brüste sind keine Zierde. Sie dürfen nach unten durch
keine Falte begrenzt sein, auch dann nicht, wenn das Modell aufrecht
steht und die Arme herabhängen. Jungfräuliche Brüste sind schief auf-
gesetzt, die Warzen stehen nicht gerade, sondern seitwärts. „Die Brüste
müssen in Feindschaft miteinander leben; während die eine nach rechts
sieht, muß die linke nach links sehen," ist eine Regel, welche die Bild-
hauer aufstellen. Die ernährenden Schlagadern treten von hinten her in
die Drüse ein und stammen zu einem großen Teil aus dem Innern des
Brustraumes, die Venen dagegen sammeln sich sowohl in der Tiefe der
Drüse-als auch an ihrer Oberfläche. Auch die Brüste haben also Haut-
venen, die) namentlich während des Stillens erkennbar sind, weil zu dieser
Zeit mehr Blut das Organ durchströmt. Die Befestigung auf dem großen
Brustmuskel zwingt die Brüste, seinen Bewegungen zu folgen. Nähern
sich die Arme, so nähern sich auch die Brüste, hebt sich der Arm, wo-
bei der Muskel, lang und gedehnt, sich über einen großen Raum aus-
breitet, so hebt sich die Brust mit ihm (Fig. 228), umgekehrt senkt sie
sich mit dem Arm, und entfernt sich von der Mittellinie, wenn sich der-
selbe nach rückwärts wendet. Die Verschiebungen sind nicht sehr be-
deutend, weil die Brüste auf dem Ursprungsgebiet des Muskels liegen,
aber doch groß genug, um beachtet zu werden.. Bei der verwundeten
Amazone auf dem Kapitol ist auf der Seite des erhobenen Armes der
Höhenunterschied in der Lage der Brüste sehr wohl berücksichtigt. Bei
der milesischen Venus steht die linke Brust höher, was auf eine hohe
Haltung des fehlenden Armes hinweist.
Die Brüste stellen anatomisch betrachtet einen Drüsenhaufen dar,
dessen Ausführungsgänge auf der Brustwarze (Papilla mammae) ausmünden,
die von einem Hofe (Areola mammae) sich erhebt. Die Brustwarze ist
samt dem Warzenhof von der umgebenden Haut durch unebene Ober-
flache und dunklere Färbung verschieden. Der Warzenhof mißt bei dem
Weibe 3-5 Centimeter, bei dem Mann nur 2-3 Centimeter. In dem
Warzenhof sind Muskelzellen einer besonderen Art verbreitet, welche
gegen die Warze in die Höhe steigen und sich dort netzförmig verbinden.