Anatomie
YVeibes.
des
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des Weibes zeigen auch stärkere Atmungsbewegungen als die des Mannes,
weil die oberen Lungenlappen bei ihnen starker entwickelt sind und mehr
Luft in sich aufnehmen, als die des Mannes. Deshalb erscheinen die
Atmungsbewegungen beim Weibe starker und der weibliche Busen wogt
selbst bei geringen Anstrengungen. Sie ertragen leichter eine Schnür-
brust, welche die untere Thoraxpartie einengt, als die Männer, die gerade
jenen Teil des Brustkorbes beim stärkeren Atmen zumeist ausdehnen, sie
empünden weniger Atemnot bei Greschwülsten im Unterleib oder der Bauch-
wassersucht, weil durch die größere Entwickelung der oberen Lungen-
lappen schon dafür gesorgt wurde, daß während der Schwangerschaft die
an und für sich beschwerliche Vergrößerung und Füllung des Unterleibes
nicht noch durch Atemnot unerträglich werde. Ungleichheit beider Thorax-
halften ist etwas Gewöhnliches, sie ist nicht immer krankhaft. Die Mehr-
zahl der Männer, die rechtshandig sind, haben rechts zwischen 1f2-2 Centi-
meter mehr Umfang als links. Bei Linkshandigen ist es umgekehrt oder-
es sind beide Seiten gleich. Bei Frauen ist der Unterschied wegen der
geringeren Entwickelung des rechten Armes wohl ebenfalls geringer, doch
ist hierüber nichts bekannt.
Die Frau besitzt einen etwas längeren Unterleib als der Mann. Das
wird von allen Beobachtern angegeben, auch die Darstellungen der Antike
stimmen damit überein, und alle folgenden Figuren sind ein deutlicher
Beleg hierfür, allein die Thatsache bangt offenbar von sehr verschiedenen
Umständen ab. Das untere Ende des Brustbeines liegt bei dem Weib
höher, und damit auch die Magengrube; dann kommt die geringe Höhe
des Beckens in Betracht und endlich der Umstand, daß die unteren
Rippen bei der Frau kleinere Bogensegmente beschreiben und mehr ge-
senkt sind, als jene des Mannes und in den Bauchmuskeln und dem Fett
sich dem Blick völlig entziehen. So kommt es, daß schließlich bei der
gleichzeitig starken Ausladung des Beckens das Ende des Brustkorbes
bei der Frau nicht durch die Haut bemerkbar ist, und daß wegen der
hohen Lage der Herzgrube der Leib länger erscheint, als dies in Wirk-
lichkeit der Fall ist. Umgekehrt ist das Thoraxende des Mannes wegen
der großen Weite besonders deutlich, und dem hohen und schmalen
Becken gerade von vorn betrachtet mehr genähert. Vergleiche die Fi-
guren 24 S. 47, 28 S. 52 und die Figuren der Mädchen.
Das Becken bietet die auffallendsten sexuellen Merkmale. Es ist
bei der Frau in allen seinen Teilen Weit, namentlich sind die schaufel-
artigen Darmbeine weit ausgelegt. Daher rührt die bedeutendere Wöl-
bung der Hüfte, welche so stark sein kann, daß der Beckengürtel den
Sehultergürtel an Breite übertrifft. An dem größeren Umfang des weib-
lichen Beckens beteiligt sich auch das Kreuzbein, das breiter und kürzer
und mehr nach hinten gerichtet ist. Die Sitzbeine sind weiter von
KOLLMANN, Plastische Anatomie. II. Aufl. 30