Anatomie
Weibes.
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stande, daran etwas zu andern. Durch Fett können die Merkmale ver-
schleiert, aber nie ganz unterdrückt werden. Das Stumpfnäschen und die
hohen Wangenhöcker sind unverkennbare Merkmale, ebenso ererbt von
den VOTfßhYen, wie die gerade Nase und die anliegenden Wangenbeine.
Die Kreuzung, die seit Jahrtausenden sich vollzieht, rüttelt diese Merk-
zeichen sehr oft durcheinander. Eine kurze Nase kann dadurch in ein
langes Gesicht, oder umgekehrt eine lange Nase in ein kurzes Gesicht
kommen, aber niemals schwächt die zartere Entwickelung des weiblichen
Organismus die Formen so ab, daß bei Abkömmlingen der lang- und
schmalgeSiChtigen Rasse die weibliche Form des Antlitzes ein Stumpf-
naschen erhielte, wie_ dies schon behauptet worden ist. Wenn also
nachstehend die Unterschiede des weiblichen Körpers im allgemeinen be-
sprochen werden, so gilt doch als oberster Grundsatz, daß die Rassen-
merkmale von der sexuellen Variabilität verschont bleibend
Im einzelnen finden sich an dem Schädel folgende Verschiedenheiten:
Der weibliche Schädel ist leichter und von geringerem Kubikinhalt als
der männliche, wie die folgende Übersicht zeigt:
Schädelinhalt in Kubikcentimetern.
Mittel: Minimum: Maximum:
100 männliche Schädel einer Landbevölkerungzß 1503 1260 1780
100 weibliche Schädel ebendaher. 1335 1100 1683
160 97
Diese Verschiedenheit des Kubikinhaltes des Hirnschädels ist äußer-
lich von einzelnen Merkmalen begleitet, welche die Stirn und den Scheitel
betreffen. Die Stirn ist beim Weihe schmaler und niedriger, steigt
jedoch im Vergleich zu der Stirn des Mannes mehr senkrecht auf. Die
Biegung, mit der sie sich, von der Profillinie aus gesehen, zu dem
Scheitel wendet, ist starker als bei dem Manne, dagegen verläuft der
ganze Scheitel flacher. Dieses Verhalten tritt namentlich in der Profil-
ansicht charakteristisch hervor, allein auch von vorn ist dieser Gegen-
satz zwischen männlicher und weiblicher Stirn- und Scheitelform, nament-
lich an dem Übergang beider, wohl zu erkennen. Der Gesichtschadel
(von der Nasenwurzel bis zu dem Kinn gerechnet) ist in Übereinstimmung
mit den gracileren Formen absolut und relativ kleiner als derjenige des
Mannes. Trotz der Größe der männlichen Hirnkapsel erscheint doch
jene der Frau im Verhältnis zu dem Antlitz umfangreicher, weil der
Mann einen stärkeren Kauapparat hat, der mehr in die Augen springt
1 Die oberste Regel ist ohne Ausnahme und wird" selbst nicht durchbrochen
durch jene seltsamen Frauen, die schon die Römer mit dem Namen virago bezeich-
net haben, zu deutsch ein "männliches Frauenzimmer", "Mannweib". S0 heißen jene
Weiber, welche sowohl in ihrem Äußeren als in ihrer Denkart den Männern ähneln.
2 J. RANKE, Die Schädel der altbayerischen Landbevölkerung in: Beiträge zur
Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. München 1878.