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Neunter Abschnitt.
ziehen, drücken sie die dünnwandigen Venen zusammen und verhindern
so den Rückfiuß durch die tiefen Abzugsröhren. An dem Arm füllen
sich dann die Hautvenen strotzend, sobald durch das Schließen der Hand
zur Faust die Muskulatur des Vorderarmes sich verkürzt. Die bei
der Bewegung des Körpers stattfindenden Zusammenziehungen der Mus-
keln werden, wie daraus hervorgeht, ein wichtiges Hilfsmittel für die
Bewegung des Blutes, namentlich in den Gliedmaßen; denn in ihnen muß
das Blut, den allmächtigen Gesetzen der Schwere entgegen, von unten
nach aufwärts strömen und bedarf dringend der helfenden Wirkung der
Muskeln. Um den Rückfluß des Blutes noch mehr zu unterstützen, sind
im Innern der, nach dem Herzen aufsteigenden Venen, Klappen (Taschen-
ventile) angebracht, welche sich in der Richtung des Stromes öffnen,
dagegen einen Rückfiuß des Blutes verhindern.
Die Länge des Blutstromes und seine der Schwere entgegengesetzte Richtung
machen die Venen zu einem häufigen Sitz der Erkrankung. Die rankenförmigen
Krümmungen, welche der Verlauf der Hautvenen so oft am Bein aufweist, unter dem
Namen der Krampfadern bekannt, erklären sich aus statischen Verhältnissen. Ist
der Rückfluß des Blutes, wie in den letzten Monaten der Schwangerschaft gehemmt,
so entstehen durch den Blutdruck Ausbuchtungen und Erweiterungen des Venenrohrcs;
diese bedingen, wenn die erweiterten Stellen zahlreicher sind, den Anschein schlangen-
törmiger Krümmungen und führen bei längerer Dauer der Krankheit eine Verdickung
des Gefäßrohres herbei. Durch die Verdickung der Wände erscheinen die Krampf-
adern wie harte, tiefblaue Stränge über die Haut hervorquellcnd. Diese Krampf-
adern sind jedoch keine ausschließliche Plage der Frauen, sie kommen auch bei
ltlitnncrxi vor; so bei Handwerkern, welche bei ihrer Arbeit in aufrechter Körper-
stellung während des ganzen Tages verharren.
Die Wurzeln der Armvenen liegen in der Hand, von denenihaupt-
sächlich jene des Handrückens in Betracht kommen, denn der Hohlhand
fehlen die sichtbaren oberflächlichen Venen. Die Venen des Handrückens
nehmen ihren Anfang von der Fingerspitze aus zwei Ästen, welche die
Nagelwurzel umgreifen (Fig. 203 Nr.1). Das aus der Vereinigung entstan-
dene Stammchen steigt am Finger in die Höhe, nimmt aber sofort neue Zu-
flüsse auf, welche teilweise von der Hohlhandlläche der Finger herauf kommen.
Schon am mittleren F ingergelenk sind die Venen stark vermehrt.
Durch die Beugungen und Streckungen gezwungen, wenden sie sich zu
den Rändern des Gelenkes, dorthin, wo die geringste Spannung eintritt,
um oberhalb des Gelenkes sich wieder durch ein Verbindungsrohr zu ver-
einigen. S0 kann es kommen, daß unmittelbar um das Gelenk zwischen
dem Grund- und Mittelglied ein venöser Kreis, allerdings von keineswegs
regelmäßiger Form entsteht.
Die Venenschlingen um das Gelenk zwischen dem Mittelglied und der Grund-
phalange fehlen auch Bisweilen, dann ziehen die Stämmchen gleichmäßig über das
Gelenk hinauf. Immer ist dabei eine Abweichung seitlich, um das Gelenk herum,
nachzuweisen, so daß bei starker Biegung die Blutströme auch den günstigen Seiten-
weg benutzen können.