Das
Skelet.
die Gefaßmuskeln ihre Ursprungslinien, die hintere Fläche des Ober-
schenkelknochens weist einen breiten höckerigen Streifen auf, der nach
oben und unten sich gabelig teilt. Er verdankt seine Entstehung ledig-
lich den starken Schenkelmuskeln, die sich an ihm festsetzen oder von
ihm entspringen. Die Anatomie nennt ihn gegen allen Sprachgebrauch:
die rauhe „Linie" des Oberschenkelknochens, Linea asperct femoris, ob-
wohl sie gleichzeitig hinzusetzt, daß man an ihr einen äußeren und inneren
Rand unterscheiden müsse.
Von der sog. Knochenlinie bis zum Knochenkamm (Orista), der
stark über die Fläche hervorragt, existieren Übergänge mancherlei Art.
Orisme heißen scharfe, oder stumpfe, gerade oder gekrümmte Knochen-
leisten. Wer kennt nicht die vordere scharfe Kante an dem Schienbein
aus eigener schmerzlicher Erfahrung? Bei einem Stoß gerät die Haut
zwischen den harten Gegenstand und die "Grista tibiaa", welche in ihrem
S-förmigen Verlauf an jedem männlichen Beine bis in die Nähe des Fuß-
rückens zu sehen und zu fühlen ist. Ruht der Ansatz-der Muskeln
auf niedrigem mit breiter Basis aufsitzendem Knochenhügel, so wird der
letztere als Höcker, Tuber oder Protzebelrantia, oder wenn er klein ist,
auch wohl als H öckerchen, Tuberculum, bezeichnet. Sitzen zwei solche
Höcker nebeneinander, so kommt es zwischen ihnen selbstverständlich zu
einer Furche, so wie zwischen zwei Bergen zu einem Thal. Von der Höhe
der Hügel hängt die Tiefe des Thales ab, welches bald als Furche
(Sulcus), bald als Bucht (Sinus) u. s. w. bezeichnet wird. Die gelehrte
Sprache tauft dann eine solche Vertiefung wohl auch Sulcus mtertuber-
cularis oder auch Einschnitt, Incisum, ein Wort, das durch Wegfall der
Endigung a als ,.Incisur" germanisiert erscheint. Stachel, Spina, heißt
dem strengen Wortlaut nach ein langer spitzer Fortsatz, aber man hat
dieselbe Bezeichnung auch für den lang gezogenen Knochenriff gewählt,
welcher auf der hinteren Fläche des Schulterblattes (siehe Fig. 2 Nr. 18a, b)
vorkommt. Die deutsche Sprache bezeichnet ihn als Schultergräte,
(besser wäre Schultergrat, da man auch Rückgrat sagt, von Grat d. i.
Kante). Es wird sich später zeigen, daß die Schultergräte eine Sammel-
stelle für Muskelansätze und Muskelursprünge ist, und mit der Stärke der
Muskeln ebenfalls an Stärke zunimmt, wie denn überhaupt alle ähnlichen
Knochenstellen bei muskelstarken" Männern kräftiger entwickelt sind, als
bei Schwachen oder bei Frauen.
Es gilt als allgemeine Regel, für das Studium der Knochen vorzugs-
weise ein männliches Skelet mit derben Knochen zu wählen. Die
starken Muskeln modellieren einzelne Teile des Skeletes im Laufe der
Entwicklung, und man darf von großen Fortsätzen auf. starke Muskeln
und umgekehrt schließen. Das zeigen die Wirbel und zwar namentlich
dann, wenn man das Skelet der Tiere in dieser Hinsicht vergleicht.
Solche vergleichende Studien sind dem Künstler wie dem. Anatomen ja