Muskeln
des Kopfes.
311
scher Kraft zu steigern. Aber nicht bestimmte Absicht des Zornigen, so
kraftvoll als möglich auszusehen, trägt die Schuld, warum sich die Lunge
bis zu dem äußersten Grade mit Luft füllt, sondern ein Reflexmechanis-
mus, der mit der Anspannung der Armmuskeln sofort auch auf diejenigen
der Respiration überspringt und die Lunge zu einer stärkeren Füllung
zwingt. Das Atemholen ist bei dem Zorn ebenfalls affiziert, wie das Herz.
Die Atemzüge sind tief und mit Geräusch wird die Luft durch die weit-
geöffneten Nasenlöcher geblasen, oder sie fährt mit lautem Ton aus dem
Mund, sobald sich die drohende oder herausfordernde Rede dem Gegner
zuwendet. Immer ist der Herzschlag und die Zirkulation affiziert. Der
Herzschlag ist vermehrt und durch die starke Füllung der Lunge mit
Luft oft die Rückkehr des Blutes aus dem Kopf auf kurze Zeit gehemmt.
Schon aus diesem Grunde rötet sich das Gesicht, es "glüht vor Zorn".
Eine solche leidenschaftliche Erregung vermag das Herz so zu stacheln,
daß es sich in seiner Arbeit überstürzt. Die Schläge vermehren sich, es
kommt zu jener Erscheinung, die man als Herzklopfen bezeichnet. Dabei
sind die Zusammenziehungen zwar häufiger, allein weniger tief; weniger
Blut verläßt das zentrale Pumpwerk durch die Abflußröhren. Dazu
kommt bisweilen, herbeigeführt durch die Miterregung des sympathischen
Nervensystems, ein Gefäßkrampf in den Schlagadern, der zunächst im
Gesicht erkennbar wird durch die Blässe, die sich bis in die Lippen er-
streckt. Der Eintritt der Blässe kann früher oder später erfolgen, stets
geht aber, wenn auch nur kurz, das Rotwerden voraus. Man kann leicht,
wie DARWIN an seinen Kindern vom sechsten Monat an, beobachten, daß
das erste Symptom eines sich nähernden leidenschaftlichen Anfalls das
Einströmen des Blutes in die Haut des Gesichtes und Kopfes ist. Die
individuellen Eigenschaften bedingen eine Reihe von Unterschieden, die
darin liegen, daß bei dem einen die Dauer der Zornesröte sehr lange
und das Stadium der darauffolgenden Blässe nur sehr kurz ist, während
die Zeitabschnitte in ihrer Dauer bei anderen sich gerade umgekehrt
verhalten können. Gleichzeitig sind eine Reihe verschiedener Abstufungen
möglich, wie in dem Verhalten des Mundes, der Arme und Hände.
Beinahe von jedem, der über den Ausdruck geschrieben hat, ist auf das
Fletschen der Zähne in der Wut aufmerksam gemacht worden. Was
die Arme betrifft, so kann einer oder können beide Ellbogen eingestemmt
sein; das Ballen der Fäuste ist zwar die für die künstlerische Darstel-
lung markierteste Form des Ausdruckes, allein nicht die einzige. Bei
vielen Menschen suchen die Finger und die Hände nach einem Gegen-
Stand, an welchem ein Teil der aufs äußerste erregten Muskelkraft sich
zu entladen vermag. Finden endlich die tastenden Bewegungen eine
Falte des Gewandes, oder die Lehne eines Stuhles u. s. w., so werden
diese Gegenstände krampfhaft gefaßt und gedrückt. Streitende Menschen
sieht man sich beständig näher treten mit vorgebeugtem Oberkörper und