Muskeln des Kopfes.
309
neben Freude und Schmerz der Haß und der Zorn. Die Abneigung,
die erste Stufe des Hasses, hat schwer erkennbare Zeichen, es sei denn,
man halte das bezeichnete Wort selbst als die beste Schilderung dieses
Gemütszustandes. Denn während "Zuneigung" das Hinneigen des Körpers
nach dem Gegenstand des Gefallens ausdrückt, eine Stellung, die wie
eine Zwangsbewegung mit absoluter Regelmäßigkeit auftritt, so besteht
die Gebärde der "Abneigung" in dem Wegwenden des Blickes, des Kopfes
oder des ganzen Körpers. Die Sprache drückt also durch ihr Wort
gleichzeitig am schärfsten die Äußerung dieses seelischen Zustandes aus.
Wir suchen von unserem Auge wie von unserem Geist den unangenehmen
sinnlichen Eindruck fernzuhalten. Der Blick streift den Gegenstand kaum,
und eine Person wird für uns „Luft", wie ein moderner Ausdruck lautet,
sie wird ggeschnitten", was sagen will, daß der Blick an der Erscheinung
vorübergleitet, mit der Absicht, sie nicht zu bemerken, obwohl sie sich
in dem Gesichtskreis befindet. Mit dem Wegwenden von einer Person,
welche sonst unserer Beachtung oder noch mehr unseres Mitgefühles wert
wäre, ist die Abneigung schon deutlich durch eine Gebärde des ganzen
Körpers ausgedrückt. Sie kann sich dabei gegen die Persönlichkeit
richten oder nur gegen ihr Begehren. In beiden Fällen ist die Gebärde
dieselbe. Die Ausdrucksform giebt der Abneigung den Charakter der
Geringschätzung, sobald mit dem teilweisen Schließen der Augenlider,
dem Wegwenden der Augen und des ganzen Körpers gleichzeitig das
Erheben und das Zurückwerfen des Kopfes sich verbindet, eine Gebärde,
welche die Erhebung über das Geringe, Niedrige ausdrückt. Die Gestalt
streckt sich, um an Höhe zu gewinnen. Während diese Gebärde nur
vorübergehend ist, wird sie, wenn dauernd, zu derjenigen des Stolzes.
Ein stolzer Mensch drückt sein Gefühl der Überlegenheit über
andere dadurch aus, daß er seinen Kopf und Körper auffallend aufrecht
hält. Er ist erhaben, und macht sich selbst so groß als möglich, so daß
man in übertragenem Sinn von ihm sagt, er sei von Stolz geschwollen
oder aufgebläht. Ein arroganter Mensch blickt auf andere herunter, und
läßt sich nur dazu herbei, sie mit gesenkten Lidern anzusehen.
Während bei all diesen stummen Äußerungen der den Geist beherr-
schenden Vorstellungen das Auge sich wegwendet, kommen gleichzeitig,
wie schon erwähnt, Muskelwirkungen in der Umgebung des Augapfels
hinzu; das obere Lid senkt sich, und sobald nur etwas Groll in die Em-
pfindung sich mischt, ziehen sich die Augenbrauenrunzler zusammen und
breiten einen Schatten über das Auge aus. Diese Zusammenziehung in
der Umgebung der Lidspalte wird begleitet von einer ganz bestimmten
llluskeblürkllllg im Bereich der Mundspalte. Der Mund wird geschlossen,
die Lippen pressen sich erst leicht, bei erhöhten Graden stärker an die
Zähne, die Unterlippe hebt sich in ihrem mittleren Teil höher, wodurch
die Mundwinkel tiefer stehen und eine Richtung nach abwärts erlangen.