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Siebenter Abschnitt.
der mit zäher Ausdauer seine Schuldigkeit thut, ist der Augenbrauen-
runzler, wodurch der Ernst noch gesteigert wird. Die übrigen Züge sind
gänzlich in Ruhe und Erschlaffung. Dies rührt davon her, daß bei de-
primierender Gemütsbewegung alle Vorgänge der Ernährung und des
Stoffwechsels herabgesetzt sind. Das Schwächegefühl ist vorherrschend,
das Atmen schwer, verlangsamt, der Herzschlag träge, der Blutumlauf
gehemmt, deshalb die Muskeln erschlafft. Die ganze Ernährung leidet,
der Appetit ist gering oder gänzlich aufgehoben, das Gesicht deshalb
blaß, es herrscht Apathie und jeder Entschluß fallt schwer. Die Er-
schlaffung lder Gesichtsmuskeln und die verminderte Blutzufuhr läßt das
Gesicht „länger werden",1 die Umgebung der Augen sinkt ein, die Augen
selbst sind in die Höhlen zurückgezogen und infolge spärlicher Zirkulation
trübe, es fehlt der Glanz, den dasGlück ihnen verleiht. Die Trauer
äußert sich auch in der Haltung des übrigen Körpers: der Kopf sinkt
gegen die Brust herab, der Oberkörper ist vorgebeugt, und die herab-
hängenden Arme suchen, bei dem Fehlen irgend eines Stützpunktes,
durch Übereinanderlegen der Hände oder Ineinandergreifen der Finger
irgend einen Halt zu gewinnen.
Die Beschreibung des Verhaltens der Augenbrauen bedarf noch der
Vervollständigung. Bei sehr hochgradigem Schmerz ziehen sich die Augen-
brauen bei manchen Menschen nach innen in die Höhe. (Vortrefflich
ist diese Art der Stellung bei Laokoon erkennbar.) Dies kommt wahr-
scheinlich dadurch zustande, daß in die Zusammenziehung der Augen-
brauenrunzler der mittlere Teil der Stirnmuskeln eingreift. Diese letz-
teren Bündel erheben durch ihre Zusammenziehung die inneren Ränder
der Augenbrauen; dabei sind aber dennoch die Brauenrunzler in voller
Thätigkeit, rufen senkrechte Falten hervor und beschatten das Auge,
dessen Lider sich etwas senken. DUCHENNE giebt die Photographie eines
Mannes, dessen Stirnmuskeln sich in der eben angegebenen Weise zu-
sammenziehen? Der Ausdruck tiefen Leidens ist unverkennbar? Auf-
fallend ist dabei, daß gleichzeitig in dem mittleren Teil der Stirn Quer-
falten entstehen. Die griechischen Bildhauer waren offenbar mit dieser
Ausdrucksform wohl vertraut, nur verlängerten sie die queren Furchen
über die ganze Stirnbreite, vielleicht, wie DARWIN meint, um die Wirkung
zu steigern.
Zu den elementarsten Erregungen der menschlichen Seele gehören
1 Von einer Person, welche eine böse Naclßcht empfängt, sagt man, daß sie
ein langes Gesicht mache.
' Auch bei DARWIN Tafel II, Figur 1.
s Von Irrenärzten wird bei Melancholie diese Doppelwirkung auf die Haut der
Stirn als sehr häufig bezeichnet, und DARWIN erwähnt, daß diese Ausdrucksform des
Grams allen Menschenmassen zukomme. Siehe die angeführten Beispiele in seinem
Werk auf S. 188 u. ü".