Muskeln
Kopfes.
des
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Der Grad der Konvergenz wird auch als "Neigung" bezeichnet.
Dabei ist es gleichgültig, ob der Kopf gehoben oder gesenkt ist, ob er
sich gerade dem betrachteten Punkt gegenüber befindet, der Blick also
voll, oder 0b er von der Seite her darauf gerichtet ist. Bei einem normal-
sichtigen Auge können die Gegenstände zeitweise, wie bei dem Lesen,
bis auf 12 Zoll: 86 cm genähert werden. Zwischen dem Blick nach
dieser Entfernung und dem damit verbundenen starken Grade der Kon-
vergenz der Augen, bis zu dem Blick in die unendliche Ferne, giebt es
eine Reihe von Zwischenstellungen, die wir an jedem Auge mit vollstän-
diger Schärfe zu beurteilen verstehen, bei dem Menschen, wie bei den-
jenigen Tieren, deren Augen eine dem Menschen ähnliche Lage besitzen,
wie Affen und Raubtiere. Bei Wiederkäuern und Nagern, deren Augen
mehr seitwärts am Kopfe sitzen, ist die Unterscheidung beträchtlich
schwieriger.
Für den Menschen, also im weitesten Sinn für die ganze Menschen-
gattung, ist unsere Übung in der Beurteilung des Blickes so entwickelt,
daß wir die feinsten Änderungen wahrnehmen, obwohl sie nur Bruchteile
eines Millimeters ausmachen. Jeder Mensch mit normaler Sehweite soll
eine von seiner Beschäftigungsweise, also von seinem ganzen Gedanken-
gang abhängige mittlere Stellung besitzen, in welche die Augen
immer wieder zurückkehren, so oft sie auch durch die Aufmerksamkeit
auf vorübergehende Erscheinungen abgelenkt werden. Diese mäßig große
mittlere Augenstellung darzustellen, liegt ebenso in der Willkür des
Künstlers, als die Wahl der parallelen Stellung, oder diejenige der stärk-
sten Neigung der Augenachsen. Welche zu erwahlen ist, hängt ab von
der Situation, um deren Darstellung es sich handelt, gleichviel ob sie der
Wirklichkeit entsprechen soll oder erfunden ist. Die Augenstellung ist
dabei ein wichtiges Mittel, die Persönlichkeit eines Menschen zu charak-
terisieren. Deshalb sind die Profilansichten bei Porträts zu verwerfen,
denn das bedeutungsvolle der Augenstellung geht verloren.
Nach der Erörterung der durch den Willen bedingten Stellung der
Augen sollen einige Arten des Blickes besprochen werden, soweit sie von
Affekten abhängig sind und also unwillkürlich eintreten.
Sobald sich unsere Vorstellung mit Gedanken beschäftigt, die weit
abliegen von den Dingen der sichtbaren Umgebung, geht das Auge in
parallele Stellung über. Bei Gedanken über das Jenseits, über wissen-
schaftliche Probleme, über fernliegende Fragen der Vergangen-
heit oder der Zukunft, bei der Überlegung weitangelegter Pläne, sei
es im Interesse der Familie, des Staates, oder der eigenen Person, ist
der Blick mit paralleler Augenstellung fixiert wie auf einen be-
Sümmten Punkt in unendlicher oder wenigstens in sehr großer Ent-
fßrnung. Die parallele Augenstellung an sich kann also in einem Porträt,
sobald die Augen gleichzeitig in horizontaler Richtung wie in die