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Siebenter Abschnitt.
suchung von Mumien, an denen
muschel ganz gut erhalten war,
solchen Annahme.
unter einer dicken Pechschichte die Ohr-
widerspricht auf das entschiedenste einer
Das Ohrläppchen darf an einem gutgeformten Ohre niemals fehlen. Manche Völker
stehen im Verdacht, in dieser Hinsicht mangelhaft organisiert zu sein. So sollen die
Nachkommen der Goten in den Pyrenäen und im westlichen Frankreich dieses
Schmuckes entbehren, eine Nachricht, über die jedenfalls eine Bestätigung wünschens-
wert wäre. Es gieht lange und breite, rundliche und eckige, flache und ausgehöhlte
Ohren. Die Zahl der individuellen Schwankungen ist sehr groß, und manche mögen
auch auf Rasseneigentiimlichkeiten beruhen. Oft liegen die Muscheln dem Kopfe auf-
fallend stark an, was bei Frauen von einem starken Anpressen durch die Kopf-
bedeckung herrühren kann. LAVATER legt der Gestalt der Ohrmuschel eine große
physiognomische Bedeutung bei. Kleine Ohren deuten ihm auf geistige Energie; die
Besitzer tief ausgearbeiteter Ohren sind der Lehre und der Erkenntnis besonders zu-
gänglich. Noch weiter geht ein anderer, der behauptet, keines der Organe am mensch-
lichen Körper verptlanze so die Ähnlichkeit des Vaters auf die Kinder, als die Ohr-
muschel. „Montre-moi ton oreille, je te dirai, qui tu es, d'o1'1 tu viens, et ou tu vas."
Wegen der exponierten Lage der Ohrmuschel kommen nicht selten Verletzungen
vor, und unter ihnen Quetschungen durch Schlag oder Fall. Das aus den zerrissenen
Gefäßen austretende Blut sammelt sich zwischen Haut und Knorpel und bedingt nach
vollendeter Heilung ein sehr verändertes Aussehen dieses schallleitenden Ansatz-
stückes. Es sind Verunstaltungen, welche etwas ganz charakteristisches an sich haben.
Die Ohren sehen wie geschrumpft aus, die obere Partie wie "zusammengebrochen"
(ist sehr häufig bei Boxern). An antiken Statuen von Faust- und Ringkämpfern, oder
von einzelnen durch ihre Kampftüchtigkeit besonders hervorragenden Halbgöttern, wie
HERKULES und PoLLnx, erscheint das Ohr gequollen, die dreieckige Grube ist ver-
strichen und die Muschelhöhle durch Verdickung der Haut bis auf einen schmalen
Zugang zum Gehörgange verengt. Diese Ohrform, welche sich an Bildwerken von
Faustkämpfern (Pankratiasten) vorfindet, ist eine Folge von Insulten des Ohres, von
Schlägen mit der durch Kampfriemen bewehrten Faust; es ist übereinstimmend mit
dem sogenannten Blutohr, das durch das Ziehen am Ohr noch heutzutage entstehen
kann. In antiken Bildwerken sind die Ohren meist mit besonderer Sorgfalt aus-
gebildet, und es wird behauptet, die größere oder geringere Durchbildung erlaube ein
entscheidendes Urteil über die Zeit der Entstehung des Kunstwerkes.
Die nach hinten gerichteteDARwnßfsche Spitze ist in Süddeutschland recht zahlreich:
sie ist beiderseits vorhanden in 69 Prozent,
„„nurrechts „
„„nur1inks „
„ „ beiderseits fehlend 11 „
Über Form- und Lageverhältnisse des Ohres handelt C. LANGER. in den Mit-
teilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien, XII. Bd., 1882 und in seiner
Anatomie der äußeren Formen. Wien 1884. 80. SCHWALBE in Festschrift
für R. Vnzonow 1891. O. SCHAEFFER, Archiv für Anthropologie, Bd. XX1. HIs, W.,
Die Formenentwickelung der menschlichen Ohrmuschel. Congres internationale
d'Otol0gie. Basel 1885. Derselbe: Anatomie menschlicher Embryonen. Leipzig
1880-85. Text und Atlas.
des
V. Der Ausdruck der Gemütsbewegung en.
Sobald die Seele erregt ist, wird das menschliche Antlitz ein leben-
Gemälde, auf dem die Leidenschaften mit ebensoviel Feinheit als