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Siebenter
Abschnitt.
Schenkel der Gegenleiste fassen eine dreieckige Grube (Fig. 149 Nr.3)
zwischen sich. Ihre Spitze ist nach hinten, ihre breite, sich mehr und
mehr vertiefende Mulde nach oben und vorn gerichtet. Der eine untere
Schenkel ist scharf geschnitten und begrenzt mitsamt dem Anfang der
Gegenleiste (Fig. 149 Nr. 4') die tiefe Muschelhöhle Nr.6. Während der
Eingang in diesen vertieften Raum von der Gegenleiste her dem Blick
völlig frei liegt, sitzt an dem vorderen Umfang ein stumpfer Höcker mit
breiter Fläche aus der Haut aufsteigend, den man Ecke (Fig. 149 Nr. 10)
oder Bock (Tragus) heißt, Diese Ecke überragt, wie eine aufstehende
Klappe den Anfang des äußeren Gehörganges von vorn her, und wird
von der ihr gegenüberstehenden Gegenecke (Gegenbock, Antitragus,
Fig. 149 Nr. 7) durch einen tiefen gerundeten Einschnitt getrennt, Nr. 11.
Noch ist ein zweiter viel seichterer Einschnitt zu beachten, der zwischen
der Ecke (Fig. 149 Nr.10) und dem vorderen Schenkel der Leiste (Nr. 5')
existiert, für den man die Bezeichnung Ohrritze oder oberer Einschnitt
(Scissura auris, Fig. 149 Nr. 9) eingeführt hat.
Die Haut des Ohres ist mit der Unterlage, dem elastischen Ohr-
knorpel, fest verwachsen, namentlich im Bereich der obenerwähnten Er-
hebungen und Vertiefungen und ist fettlos. Am unteren Ende des Ohres
verdickt sie sich aber, wird fettreich, und bildet das Ohrläppchen, welches,
wie die Ohrzierraten der Wilden beweisen, eine fast unbegrenzte Aus.-
dehnbarkeit besitzt.
Die hintere Fläche dcs Ohres läßt die Vertiefungen und Erhabenheiten der
vorderen Fläche, natürlich in umgekehrter Form wieder erkennen. Die Richtung der
Gegenleiste bezeichnet eine Einbiegung, die Stelle der Muschelhöhle eine ansehnliche
Erhabenheit. Je näher die hintere Ohrliäche an den Kopf heranrückt, desto mehr
lockert sich die Verbindung der Haut mit dem Ohrknorpel, und an dem Übergang
zu der Kopfhaut bilden sie im Alter leicht erkennbare Falten.
Die feste Unterlage für die seltsame Form des Ohres liefert bei Mensch und
Tier der elastische Ohrknorpel, der sich leicht biegen läßt, und bei dem Aufhören
des Druckes in seine frühere Lage sofort zurückkehrt. Die am Tragus sprossenden
steifen Haare hielt man, wenn sie aus dem Ohre wie Büschel herausstehen, für
ein Attribut weibersüehtiger Männer, und nannte sie deshalb Bockshaare, Hirci (von
Hircus, der Bock, griechisch : trdgos), wodurch die Ecke am Ohr zu ihrem sonst
nicht zu erklärenden Namen gekommen sein mag.
Der Hautüberzug der Ohrmuschel verhält sich zu dem Ohrknorpel, wie die Haut
deriNase zu den einzelnen Knorpeln. Die Dünnheit und der Gefäßreichtum läßt den
Purpur der Schamröte sich auch über die Ohren ergießen. Doch sind die Nerven
des Ohres für dieses Zeichen seelischer Vorgänge stärker reizbar als die der Nase,
welche sich meines Wissens weder bei der Scham noch der Verlegenheit rötet, ob-
wohl sie sonst bekanntlich für andere Schwankungen der Blutfülle ein prompter Grad-
messer ist.
Schön geformte Ohren sind eine Zierde, und man verlangt von ihnen,
daß die obenerwähnten Eigenschaften deutlich, aber maßvoll ausgeprägt
seien, und daß sie nur ungefähr doppelt so lang seien, als breit. Selbst-
verständlich ist das Ohr der Männer größer und derber geformt, als das