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Fünfter Abschnitt.
welcher die Öffnung des Winkels gerichtet ist, beim Schcnkelknochen
also nach einwärts. Die Konvergenz der Oberschenkelknochen erzielt
einen mechanisch bedeutsamen Gewinn, denn die Schwankungen des
Körpers beim Gehen werden dadurch beträchtlich. abgeschwächt.
Von dem Kniegelenk an ändert sich die Richtung des Beines, und
die Unterschenkel laufen parallel zum Boden herab. An dem Skelet des
Beines Figur 93 ist dieses Verhalten bei der Darstellung berücksichtigt
worden und wohl zu erkennen. Eine geringe Verlängerung des inneren
Knorrens am Kniegelenk genügte, die Konvergenz der Unterschenkel zu
verhüten, und sie zu zwingen, senkrecht nach der Unterlage hinab-
zustreben. Ohne diese Korrektion der Richtung würden die Fersen bei
dem Gehen beständig aneinander schlagen. Auch bei der besten Form
des Beines entsteht durch [Verschiedenheit in der Richtung des Ober-
schenkels zum Unterschenkel eine Konkavität der Kniegegend an der
äußeren und eine Konvexität an deP-jyiunneren Seite.
Wie bei dem Arm, so kann auch bei dem Bein eine Überstreckung vorkommen,
die fehlerhaft ist. Das bei der deutschen Armee eingeführte "Durchdrücken des
Knies" besteht in einer Überstreckung, wobei das vordere Kreuzband stark gedehnt
werden muß. Über-Streckung an dem Arm wie an dem Bein ist unschön. Dieser
Fehler tritt am auffallendsten in der Profilansicht zu Tage, ebenso die zu starke
Krümmung des Oberschenkels, wobei das Bein aussieht, als oh Oberschenkel und
Unterschenkel nicht richtig aufeinanderständen. Die zu starke Krümmung der Ober-
schenkel entsteht durch rachitische Veränderung des Oberschenkelknochens. Eine
andere auffallende Anomalie entsteht dann, wenn "der Unterschenkel nach außen ab-
weicht, und jene Entstellung der Beine auftritt, welche in der Chirurgie Genu valgmn
heißt und im Deutschen Knickebein, Ziegcnbein, auch Knieenge und Bäcker-
bein genannt wird; der inneren Korren des Oberschenkels markiert sich dabei stärker
durch die Haut der inneren Kniegegend, als ob er vergrößert wäre. Das Knickcbein
entsteht durch eine rachitische Veränderung der Knorpelfuge am unteren Ende des Ober-
schenkelknochens und am benachbarten oberen Ende des Schienbeins. Die dem Genu
walgznn entgegengesetzte Verkrümmung des Knies, bei welcher der Unterschenkel mit
dem Oberschenkel einen nach innen offenen Winkel bildet, führt zu der Knieweite
oder den Säbelbeinen (Genu warum), welche seltener vorkommen. Die Säbelbeine
haben ihre Bedingung ebenfalls in angeborener oder erworbener (rachitischer)
Knochenverbiegung oder in krumm geheilten Beinbrüchen. Bei Reitern finden sich
oft mäßig krumme Säbclbeine, wahrscheinlich durch vermehrten Muskelzug bei dem
sog. Schluß entstanden.
Die Haut der vorderen Kniegegend ist wie diejenige an der hinteren
Seite des Ellbogens dick, rauh anzufühlen und im gestreckten Zustande
des Gelenkes, sowie bei besonders stark gebrauchten Knieen auf der
Kniescheibe quer gefurcht. Das Gewebe der Haut zeigt sich auf den
Vorsprüngen der Knochen am Knie bei weitem nicht so fettreich, wie
am Oberschenkel, weshalb das Knie um so schlanker erscheint, je be-
leibter ein Individuum ist. Die Falten auf der Vorderseite des Knies
fehlen in der Jugend und die Haut legt sich glatt über die Erheben-
heiten und Vertiefungen. Bei der Beugung wird sie gespannt, verdünnt