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Fünfter
Abschnitt.
statt des Rechtes galt. Auch die Römer gebrauchten nzcznzes für Gewalt. Die
Variationen der Hand sind sehr groß; schon CARUS hat vier verschiedene Formen
unterschieden, freilich waren sie mehr durch ein künstlerisch gebildetes Auge als
durch Messung bestimmt worden. Seit jener Zeit haben aber zahlreiche genaue
Untersuchungen die Richtigkeit der Vermutung bestätigt, daß nicht ein einziger
Haupttypus der Hand in Europa vorkommt, sondern mehrere Haupttypen (PFITZNER).
Zwei, die am meisten auffallend sind, die schmale und die breite Hand, wurden
schon oben erwähnt. Die alte Frage, 0b der zweite oder der vierte Finger der längere
ist, erledigt sich dahin, daß der vierte stets der längere und abgesehen von der
Basis der Grundphalange, auch der stärkere ist. Im Mittel ist der Zeigefinger beim
Mann um 7,2 mm, beim Weib um 6,3 mm kürzer (Prrrznx-zn). Daß der vierte Finger
länger als der zweite ist, kann man beim Lebenden sehen und messen, wenn die
gerade gestreckten Finger im Mittelhandgelenk um 900 gebeugt werden.
Die Knochen, welche die oberen Gliedmaßen des Menschen bilden, finden wir
wieder in der Flosse des Walfischcs, in dem Vorderfuß der Schildkröte und im Flügel
des Vogels. Dieselben Knochen sind es, die, vollkommen ihrem Zwecke angepaßt, in
der Tatze des Löwen, wie des Bären gefunden werden; anders sind sie umgewandelt
im Vorderbein des Pferdes oder des Kamels, oder bei dem zum Klettern und Graben
lang beklauten Beinen des Faultieres. Eine vortreffliche mit Abbildungen illustrierte
Anatomie und vergleichende Anatomie enthält das kleine, aber lehrreiche Buch:
Die menschliche Hand und ihre Eigenschaften von Sir Cnsnrns BELL. Deutsch von
Dr. H. Heuer. Stuttgart 1836. Dann E. HAECKEL, Anthropogenie oder Entwickelungs-
geschichte des Menschen. 4. Aufl. Leipzig 1891. CARL Gusr. Gurus, Symbolik der
menschlichen Gestalt. 2. Aufl. Leipzig 1858. BRAUNE und Frscnnn, Die Länge der
Finger etc. Archiv für Anatomie und Physiologie (Anatomische Abteilung) 1887.
W. PFITZNER, Beiträge für Kenntnis des menschlichen Extremitätenskelets in: Morpho-
logische Arbeiten, herausgegeben von Prof. G. SCHWALBE. I., II. u. IV. Bd. 1891-95.
Der
Beckengürtel.
Der Beckengürtel verbindet die unteren Gliedmaßen mit dem Stamme.
Es sind bei dem Erwachsenen drei Knochen, welche diesen festen, aber
unregelmäßig geformten Gürtel zusammensetzen, nämlich jederseits das
Hüftbein (Fig. 92 H) und hinten das Kreuzbein (Fig. 92 Kr). Im In-
teresse der Festigkeit sind die beiden Hüftknochen durch einen starken
Bandapparat sowohl mit dem Kreuzbein als unter sich vereinigt. Von
dem Kreuzbein aus überträgt sich das Gewicht des Oberkörpers auf die
Hüftknochen und von diesen auf die säulenartigen Gliedmaßen durch
Vermittelung der Hüftgelenkpfanne.
Das
Hüftbein
coxae)
Das Hüftbein ist ein platter Knochen, der an der äußeren Fläche
eine tiefe Pfanne für den kugeligen Schenkelkopf besitzt. Es reicht an
dem Rumpf hoch gegen die Rippen hinauf und erstreckt sich tief hinab
unter die Pfanne. Der obere Abschnitt des Hüftknochens ist breit,
schaufelförmig, der untere durchbrochen und zwar durch eine große, un-
regelmäßig ovale Öffnung, welche das verstopfte Loch (Foramen ob-
tm-atum) oder Hüftloch genannt wird. Dieser große und seltsam ge-