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Fünfter Abschnitt.
Archiv für Anatomie und Physiologie. Anat. Abt. 1882). Gleichzeitig ändert sich
auch die Gestalt des Vorderarms; denn der Radius ist ein sehr geschweifter Knochen,
und bei seiner Drehung führt jeder Abschnitt seines Verlaufes, am auffallendsten das
geschweifte Mittelstück, eine Kreisbewegnng aus. Nachdem die Muskeln des Vorder-
arms ihn nicht bloß umgeben, sondern auch von ihm entspringen, wird der bei ruhiger
Haltung platte Vorderarm sowohl bei der Supination, als namentlich auch bei der
Pronation etwas gerundet. Die Verschiebung der Knochen ist in den Figuren 81
und 82 dargestellt. Der "schiefe Ansatz" des Vorderarms kommt bei Frauen in
verschiedenem Grade vor. Die meisten haben einen Cubitus valgus von 15-25",
der sogar bis auf 30" steigen kann. Es ist dabei jener Winkel gemeint, um welchen
die Vorderarmachse von der geradlinigen Fortsetzung der Oberarmachse abweicht. Der
schiefe Ansatz ist ein sexuelles Merkmal und hängt mit der Breite des Beckens zu-
sammen; er entwickelt sich erst mit der Pubertät. Bei Mädchen vor der Pubertät
fehlt er beinahe vollständig oder erreicht nur jenen Grad, der auch bei Knaben und
Männern vorkommt. Wegen des schiefen Ansatzes haben die Frauen eine andere Arm-
haltung; nicht wegen der modischen Tracht, wie BRÜCKE meinte. Ein allzuschiefer
Ansatz kann unschön wirken; immerhin darf der Künstler in der Wiedergabe des-
selben ziemlich Weit gehen, wie z. B. BÖCKLIN auf dem sinnreichen Bild „Odysseus
und Kalypso". Auch bei den Männern ist der Arm nicht ganz gerade, sondern
bildet in der Streckung einen Winkel, der aber unter normalen Verhältnissen nicht
über 9" hinausgeht und bis auf 00 sinken kann, wobei im letzteren Falle der
Ansatz des Vorderarms an den Oberarm völlig gerade ist. Wird bei schiefem
Ansatz der Arm gebeugt, so weicht der Vorderarm etwas nach innen ab und zwar
um so bedeutender, je schiefer er angesetzt ist. Vergl. über den Cubitus valgus
femininus C. Hünscnna, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 53. Bd. Leipzig 1899.
Mit 17 Figuren im Text. Dort zahlreiche Litteraturhiuweise auf die Arbeitenvon
lllnrnn, H. v., HENKE, BRAUNE und KYBLUND, Porrnn, HULTKRANTZ u. a.
Das
Skelet
der
Hand.
Die Hand gliedert sich in drei Abteilungen, in die Handwurzel
oder das Handgelenk, Clarpus, in die breite Mittelhand, illetacreipus,
und in die Finger, Digital Die knöcherne Hand ist dabei wesentlich ver-
schieden von der mit den Weichteilen bedeckten; denn das, was als
Mittelhand eine breite, bei ausgestrecktem Daumen fast viereckige Flache
bildet, welche innen den eigentlichen Handteller darstelt, besteht an dem
skeletierten Endglied des Arms aus einem Fachwerk von fünf kleinen
Röhrenknochen, welche am Handgelenk mit ihren verdickten Enden dicht
aneinander liegen, während sie, gegen die Finger zu, auseinanderweichen.
Von dem Handrücken, noch mehr von der Hohlhand aus gesehen, er-
scheinen die cylindrischen Finger scharf abgesetzt, am Skelet sind sie
dagegen die direkten Ausläufer der Mittelhandknochen, und es sieht aus,
als erstreckten sich die Finger bis zu der Handwurzel hinauf. Dennoch
ist auch am Skelet die Trennung zwischen Mittelhand und Finger nach
Bau und Funktion unverkennbar. Die Orientierung der Flächen und
Ränder der Hand erfolgt von der Stellung des frei herabhangenden Arms
aus. Die Handwurzel liegt also oben, die Finger unten, die Elle hinten,
die Speiche vorn.