Dritter Abschnitt.
Spezielle
Knochenlehre.
zurückgebildet (F ig. 49); der Kieferwinkel verliert seine scharf geprägte
Form, und wird durch den Muskeldruck stumpf gemacht. Der mittlere
Teil des Bogens rückt dadurch soweit nach vorn, daß der Unterkiefer
sich verlängert und den Oberkiefer weit überragt.
Bei dem Schluß des Mundes ist dies besonders auffallend; die Kinn-
spitze wird nach vorn geschoben (Fig. 51), die Lippen geraten zwischen
die zahnlosen Kiefer und der Mund wird zu einer Spalte, der jede Um-
säumung durch rote Ränder fehlt (Fig. 50). Die beiden Abbildungen
zeigen übrigens noch nicht den höchsten Grad dieser Verkürzung des
unteren Gesichtsdrittels, denn die Form der Unterlippe zeigt deutlich,
namentlich bei Fig. 51, daß noch ein Paar Schneidezähne erhalten
waren, welche ihr erfolgreich zur Stütze dienten. Das Gesicht wird also
durch das Verschwinden der Zahnkronen und der Zahnwurzeln wieder
klein ,
wieder
ähnlich
demjenigen
des
kindlichen
Alters,
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Gesicht einer 90jähr. Frau von vorn.
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Fig. 51. Dasselbe Gesicht von der Seite.
ebenso wie in Fig. 49
Stirn und Schädel ihre
vorzugsweise in dem unteren
frühere Größe behalten.
Drittel,
während
Die Stellung und Richtung der Zähne, Welche in den vorhergehenden Bemerkungen
als die, europäischem Schönheitssinn entsprechende Ausbildung des Kauapparates dar-
gestellt wurde, erfährt durch Natur und Kunst sehr bedeutende Abweichungen. Bei
Europäern sowohl, wie bei den Einwohnern anderer Kontinente stehen die oberen
Schneidezähne oft schief, so daß sie von den Lippen nicht mehr bedeckt werden. Im
höchsten Grade ist dies der Fall bei den schiefzähnigen Melanesiern. Statt vier
Schneidezähnen stecken bei ihnen in dem Oberkiefer oft nur die zwei inneren, und
diese sind dann durch Lücken von den anderen getrennt. Bei den Bewohnern der
Admiralitätsinseln finden sich neben der extrem schiefen Stellung gleichzeitig enorm
vergrößerte Vorderzähne; sowohl die des Ober- als die des Unterkiefers bilden eine
Art von Kauplatten. Die Zahnkrone einzelner Schneidezähne mißt über 2 c1n Länge
und 1,5 bis 1,9 mm Breite und über 1 cm Dicke und stellen so wahre Zahnungeheuer
dar, wenn man menschlichen Maßstab anlegt. (Mrchuono-MACLAY, Über die großzäihnigen
Melanesier. Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft in Zeitschrift
f. Ethnologie. 1877. Sitz. v. 16. Dez. 1876. Mit Tafel XXVI, aufjvelcher einige
Porträts zu sehen sind.) Bisweilen ist ein Teil der Zahnreihe doppelt, Melanchthon
und Ludwig XIII. hatten z. B. 8 Schneidezähne im Oberkiefer. Bei Herkules soll
der Sage nach, die ganze Zahnreihe doppelt gewesen sein. Das Lehrbuch der Anatomie
des Menschen von J. Hrnrn, 15. Auiiage, Wien 1881. führt die wichtigsten Varietäten