Spezielle Knochenlehre.
ganze Antlitz des vierjährigen Kindes im Vergleich mit jenem des ein-
jährigen wesentlich geändert. Es ist nicht allein um die Zahnkronen
länger geworden, sondern auch um die in den Zahnfortsätzen des Ober-
und Unterkiefers steckenden Zahnwurzeln, wie sich denn überhaupt die
Zahnfortsätze erst mit der Entwickelung der Zahnwurzeln ausbilden.
Obwohl die Natur schon innerhalb des Mutterleibes mit der Anlage der
Zähne beginnt, so wird sie doch damit so spät fertig, daß erst im sechsten
Monate nach der Geburt die inneren Schneidezähne des Unterkiefers
durchbrechen, welchen bald jene des Oberkiefers folgen. Bei Neuge-
borenen sind also die Zähne noch in den Zahnsäckchen des Kiefers ver-
borgen (Fig. 47); der Unterkiefer gleicht einem gebogenen Stäbchen,
dessen kurze Fortsätze dicht an der Grundfläche des Schädels sitzen
und von dem Wangen- und Jochbein nahezu verdeckt werden (Fig. 47).
An dem Oberkiefer ist die geringe Höhe nicht minder auffallend. "Der
Oberkiefer springt nur wenig über die Fläche des harten Gaumens
hervor, und das Gesicht ist klein im Vergleich zu der mächtigen Ent-
wickelung der Stirn in Höhe und Breite (Fig. 47); es ist von oben nach
unten wie zusammengedrückt. Der Kauapparat nimmt im Vergleich zu
dem Gesicht des Erwachsenen noch einen sehr kleinen Teil ein.
Der bedeutende Einfluß der Zahnbewaifnung auf den ganzen Ge-
sichtsschädel tritt am besten durch die obige Nebeneinanderstellung der
Fig. 47, 48 und 49 hervor. Die drei Schädel sind in der Horizontalebene,
welche von der Mitte der Ohröifnung zu dem unteren Rand der Augen-
höhle (bei der Betrachtung von der Seite) läuft, gezeichnet und so ein-
gereiht, daß eine ideale, quere Achse durch die Mitte der Sehlöcher
(Fm-amma optica) gezogen wurde. Die Schädel sind auf die gleiche Größe
reduziert. Man nimmt sofort wahr, daß, abgesehen von der Höhe der
Augenhöhlen und der Nase, die Zunahme des Gesichtes wesentlich auf
die Entwickelung der Zähne zu setzen ist. Die Zahnwurzeln bedürfen
zu ihrer Befestigung eines beträchtlichen Raumes, der, von dem Boden
der Nasenhöhle (Fig. 48 e) aus gerechnet, die Anlage des Zahnfortsatzes
an dem Oberkiefer bedingt, ebenso wie an dem Unterkiefer ein ganzes
Stockwerk auf den schon in Fig. 47 vorhandenen Knochen gesetzt wird,
um genügenden Platz für die Fächer zu schaffen, welche die Zahn-
wurzeln umfassen sollen. Durch dieses Stockwerk wird die Ecke des
Unterkiefers (Fig, 48) mehr und mehr von der Schädelbasis weggedrängt,
und so entstehen allmählich die Unterkieferfortsätze, welche bei dem Er-
wachsenen lang und steil in die Höhe steigen. J e mehr die Zähne und
damit die Muskeln thätig sind, desto massiger wird der ganze Unter-
kiefer, und desto vorspringender werden die Winkel. Alles dies schwindet
in dem Greisenalter. Mit dem Verlust der Zähne verlieren sich an dem
Ober- und Unterkiefer die Alveolarfortsätze, der Gaumen wird Bach wie
bei dem Kind und der Unterkiefer zu einer nur iingerdicken Spange