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BARCELONA.
den Armen wiegte, sagte sie: ßSiCh, sieh, wie schön es isti
wie freundlich es lacht, nimm es hoch, küss es doch, wir
werden es zusammen hegen und lieb habenß Sie machte
dabei eine Mimik, als 0b sie dies alles mit einem kleinen
Kinde, das um sie war, that. Sie hob es in die Höhe, führte
es an der Hand, setzte es nieder und tanzte hin und her.
Auf einmal horchte sie andächtig; man hörte eine Mandoline
in der Ferne, und mit einem wunderbaren Ausdruck von Glück
und Seligkeit auf dem Gesichte rief sie: wDa ist er, da ist
erla und flog Hals über Kopf zur Thür hinaus, wie sie ge-
kommen war, und der Vorhang Gel. Ohrenbetäubendes Rufen
und Händeklatschen des Publikums. Sie kam zurück, um den
Beifall in Empfang zu nehmen; aber selbst hierin lag eine
unbeschreibliche Mimik, sie that, als ob sie jedem der Kerle,
die ihr zujubelten, die Hand drücken wollte und als 0b sie
ihre Rufe und Bravos mit einem Gefühl inniger Dankbarkeit
an die Brust drückte. Die ganze Vorstellung hatte ungefähr
eine Viertelstunde gedauert, und es kam mir vor, als ob ich
eine ganze Geschichte miterlebt hätte.
In den drei oder vier grossen Schauburgen, die Barcelona
besitzt, würden wir wahrscheinlich etwas ganz anderes gesehen
haben, aber würde es mehr echte Kunst gewesen sein?
Durch die grossen und kleinen Strassen von Barcelona
spazierend, sahen wir, wie viel hier unter freiem Himmel ge-
schieht, das bei uns im Zimmer gethan wird.
In den vornehmen Geschäftsgegenden sitzen Männer auf den
Strassen und drucken Karten, photographieren und schneiden
Bilder aus, schwarze Silhouetten auf weissem Papier, oft mit
sehr guter Aehnlichkeit. Aber in den abgelegeneren Vierteln
gar ist das Volk gewohnt, den Teil der Strasse vor seinem
Hause als seine Wohnung zu betrachten.
Da hatte eine geschäftige Mutter ihr Töchterchen vor die
Thür gesetzt, um sie gehörig zu reinigen; ein Fuhrmann stieg