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B ARCELO NA.
Kirche. Die Kirche war leer, ich war bereits durch sie hin-
durchgegangen und kehrte zurück, um den Ausgang zu suchen,
als ich drei grosse, schwarz gekleidete Frauen auf mich zu-
kommen sah; aber sie bemerkten mich nicht und knieten
dicht vor mir nieder. Ich sah, dass da ein Bild der heiligen
Jungfrau an einem der Pfeiler aufgestellt war. lch wich zu-
rück; um aber meine Damen noch sehen zu können, stellte
ich mich ein Ende weiter hinter einen andern Pfeiler. Ich
dachte: so stand Petrarka, um Laura zu beobachten in der
Kirche, in der er sie zum ersten Male sah. Es schienen drei
Schwestern zu sein, aber die, welche in der Mitte kniete,
war gewiss die älteste; gross, mit ungewöhnlich grossen
Augenhöhlen, fein gekrümmter Nase und breitem Kinn, die
durch die schwarze Kleidung und das schwarze Haar jene
blasse Feinheit hatten, die vielen der spanischen Frauen so
etwas interessant Leidendes giebt; die beiden anderen, wie
sie knieten, einen halben Kopf kleiner als die älteste, schlangen
ihre Arme um den Hals der ältesten, die ein Gebetbuch her-
vorholte und daraus vorlas, wonach die anderen mit ge-
senktem Haupte hörten und mitbeteten. So gesehen aus
der Entfernung, in der ich stand, war es eine vollkommene
Gruppe von drei Figuren, die einen Bildhauer durch die voll-
kommene Harmonie der Linien und durch den grossartigöü
Ausdruck der Betrübnis und Trauer inspiriert haben würden.
Auf den Zehen schlich ich aus dem Gebäude, um niemanden
zu stören, und die Wärme der freien Luft berührte mich an-
genehm. Noch ganz erfüllt von den drei dunklen Gestalten,
die ich gesehen hatte, ging ich träumend weiter, aber als
ich eine Strecke der warmen, sonnigen Strasse durchwandert
hatte, erblickte ich, von neuem betroffen, eine junge, schöne
Frau, die mit echt spanischer Grandezza auf der andern
Seite der Strasse ging. Sie war in hellgelbe Seide gekleidet,
auf der eine schwarze Spitzenmantilla einen herrlichen Farben-