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KIRCHENFESTE.
der Abendandacht in Sevilla, aber nie habe ich solch ohren-
peinigendes und sinnverwirrendes Läuten gehört. Ich sah
mich um, wie man sich nach dem verfolgenden Feind umsieht,
und da bemerkte ich, dass die Glocken der Giralcia durch
Oeffnungeil im Turme beim Läuten nach clraussen
wurden, sodass der Schall nicht im Turme blieb,
geschwungen
sondern nach
draussen über die Häupter der heimkehrenden Kirchgänger
gellt. Wir taumelten die Stufen hinunter, über den Platz
und die Strasse entlang, bis uns das entsetzliche Geräusch
nicht mehr erreichte und wir wieder in Frieden atmen konnten.
In Sevilla spaziert es sich sehr angenehm; malerisch sind
seine engen, mit grossen Fenstern und Balkons gezierten
Strassen, oftmals so schmal, dass die Nachbarn bequem mit-
und von ihrem Diner etwas hinüber-
einander lachen und streiten
reichen
können.
Auf
rastet
Plätzen
den
eine
gewöhnlich
kleine
Karawane
V01]
Maultieren,
die
dort
malerisch
neben
ihren
Fruchtkörben stehen oder kauern, während der schlafende Treiber
gemütlich zwischen seinen Pfiegebefohlenen auf der Erde liegt.
Was jedoch in Sevilla so merkwürdig ist, das sind die
Häuser der wohlhabenden Bürger. Diese l-lauser erregen sofort
Aufsehen, und man wirft LIUWlllkÜTllCh einen neugierigen Blick
hinein. Es ist eigentlich kein geschlossenes Haus, es ist
immer ein mit einem zierlichen Gitter umschlossener Garten
davor.
Ich hatte mir vorgenommen, auf der Reise bei Freunden
und Bekannten nicht anzuklopfen, da dies oft Veranlassung
zu lästigem Aufenthalt giebt, wie es auch nun wieder schien.
Indessen war es uns nicht möglich, eine dieser Privatwohnungen
zu besichtigen, ohne von unserem Plan abzuweichen, und so
geschah es. In Sevilla wohnte ein berühmter, junger Maler,
der mir zu meinem siebzigsten Geburtstage einen Gruss aus
Spanien sandte. Ihn zu besuchen, war also unser Vorhaben.
Nachdem.
wir
geklingelt
hatten ,
wurde
U l] S
durch
einen