Diesem Schwedenrocke ähnlich war das ärmellose Koller aus Büffel- oder Elenshaut, das als
Schutzkleid allein oder über dem Rocke getragen wurde; aber der Schoss des Kollers bestand aus
4-6 Laschen, die sich nach untenhin dergestalt verbreiterten, dass sie selbst beim Reiten über-
einanderiielen und keine Lücke boten (110. e. 111. s). Nach 1630 rückte man die Taille des Rockes
immer höher, bis sie um_ 1640 unter den Armen sass und der untere Schossrand auf den Hüften
(110. 5. 111. s. 112. 14). Nach 1650 liess man die Taille wieder sinken, doch ohne den Rock selbst zu
verlängern, und zierte den ringsum angesetzten Schoss nach der Zeitmode mit Spitzen. Die Aermel
glichen noch den vorn geöffneten geraden Schwedenärmeln, doch waren sie zweinähtig und ohne
Achselstück. Von jetzt an vollzog sich die Umgestaltung des Rockes in französischem Sinne. Die
Aermel erhielten breite weite Aufschläge, die, hinten offen, am Ellbogen sassen und die Hemd-
ärmel mit den breiten Manschetten blicken liessen. Leib und Schoss wurden häufig getrennt und
der Schoss als Schurz mit einer Zugschnur um die Hüften festgebunden, so dass zwischen Leib
und Schurz das feingefaltete Hemd hervortrat (111. 9). Der Schurz erhielt längs- oder quer-
geschnittene Seitentaschen und am unteren Rand einen Schmuck von Bandschleifen. Nach 1670
stieg der aus Leib und Schurz wiederum vereinigte Rock mit weiten Schössen bis auf die Waden
herab und führte breite Aermelaufschläge, Seitentaschen, ein in Schleifen zusammengelegtes Achsel-
band und reichen Bortenbesatz. Die Behandlung der Aermel war eine wechselvolle. Um 1690 liess
man den Aermel sich vom Ellbogen an dergestalt erweitern, dass der Aufschlag beliebig weit zurück-
geschoben werden konnte (110. 16-18. 111. 11. 112. 20. 21); man öffnete ihn hinten und befestigte ihn
vorn mit einigen Knöpfen. Der Rock war damals ohne Kragen; so blieb er bis 1700. Dann
erhielt er breite gesteifte Schösse, die an den Seiten in einige Falten gelegt (116. 7), hier auch
aufgeschnitten und unten an den zusammenstossenden Rändern mit einem Stiche oder Knopfe
zusammengeheftet wurden (117. s); der Aermelaufschlag war klein, hinten geschlossen und besonders
angesetzt. Nach 1760 erschien der Aufschlag kaum weiter als der Aermel (117. 1. s. 9), auch die Seiten-
fältelung massiger, aber der Rock im Oberteile weiter als seither und mit einem kleinen Stehkragen
besetzt. Gegen 1790 verlegte man die Taschen in die Hinterschösse. Nach 1800 schnitt man den
Rock in den beiden Rückenteilen schmäler als seither, nach oben und untenhin spitzig, die Brust-
teile aber breiter; ebenso machte man die Schossstücke hinten schmal, vorn aber breit und besetzte
jedes Ende der Rückennaht in der Kreuzgegend mit einem Knopfe. Schnitt und Stellung des Kragens
wechselten nun mannigfach. In den zwanziger und dreissigcr Jahren zog sich der Kragen hinten
hoch hinauf und vorn bis zur Taille herab (119.12.17); auch bildeten die Aermel auf den Schultern
augenfällige Bauschen.
Von diesem Leibrocke sonderte sich in der zweiten Hälfte des abgelaufenen Jahrhunderts
der Frack, ein Gewandstück, das schon durch seinen Namen als ein Wrack oder Rest des Leib-
rockes gekennzeichnet erscheint. Anfangs pflegte man die langen Schösse des Rockes nach Belieben
zurückzuschlagen und zu verknöpfen; dann aber, und zwar zuerst in England und Amerika, schnitt
man die beiden umzuschlagenden Vorder-stücke hinweg und zwar mit einem Stücke vom Leibe des
Rockes, so dass der Ausschnitt von der Brust an in einer gleichmässig runden Linie nach untenhin
verlief (117. 1. 9.16. 1a); später zog man diese Linie in der Taillengegend ein (118. 2.12), um 1837
schweifte man sie von der Brust an (119. 11); sonst behandelte man den Frack ganz wie den Leibrock.
Das, was wir heutzutage Weste nennen, war ursprünglich ein Rock, den das Bedürfnis,
zwei Röcke übereinander zu tragen, aus dem schwedisch-deutschen Lederrock oder Koller entwickelt
zu haben scheint, denn die Weste glich anfangs in Stoff und Form völlig dem Rocke, nur war sie
etwas enger und kürzer als dieser. Um 1680 wurde die Weste allgemein als Hausrock getragen
und selbst ausser dem Hause. Um 1700 verkürzte man die Weste bis auf die Mitte der Ober-
schenkel und liess dieiSeitenfalten hinweg, die sie mit dem Rocke gemeinsam hatte. Von jetzt
ab verwendete man neben dem Leder auch farbige Tuch- und Seidenstoffe, namentlich weissen
Atlas mit eingesticktem Blumenwerk und einem Besatz von Gold- und Silbertressen. Als der Frack
Hottenroth, Trachten. n. Band. 25