Ueberfallkragen (85. s. s). Die Aermel waren immer lang, entweder durchweg anschliessend oder
trichterförmig nach untenhin geöffnet und selbst von der Armbeuge an aufgeschnitten, so dass sie
auf dem Boden schleppten (85. 12); auch beliebte man sie an den Schnitträndern nicht selten mit Pelz
besetzt oder ausgezaddelt. Daneben kam die sogenannte wCyprianeu immer mehr zur Geltung,
jenes Kleid, das im Schnitte zwar den beiden Mustern gleich war, aber einen dreieckigen tief
über die Herzgrube herabsteigenden Brustausschnitt hatte (87. 10); dieser wurde zum Teil durch
das mit weitem Halsausschnitte versehene Unterkleid ausgefüllt, welches seinerseits Wieder einen
Brustschlitz hatte, der über einem feingefältelten Latze verschnürt wurde. Man ersetzte um die
Mitte des Jahrhunderts die Schleppärmel durch bequeme Aermel, die bis an die Finger reichten
und hier zurückgeschlagen werden konnten (87. 10). Um diese Zeit kamen steife Brokate in Mode,
dicke mit Gold- und Silberfäden durchwirkte Stoffe aus Seide und Sammet. Diese Brokate warfen
nur grosse und schwere Falten und machten einige Abänderungen im Schnitte notwendig. Man
nahm die Schleppe hinweg (87. 16), schnitt das Rückenteil aus zwei Stücken (Fig. 39. 5, punktierte
Linie) und schweifte deren in die Mitte fallende Kante der Schweifung des Rückens gemäss aus,
sowie man es seither an den Seitenkanten gemacht hatte; auch die Schnittränder in der Taille
höhlte man aus und nähte sie wieder zusammen; auf diese Weise wurde der schwere Stoff ge-
zwungen sich den Körperformen anzuschliessen; zugleich setzte man in die Seiten von den Hüften
an lange oben etwas abgestumpfte Zwickel ein (Fig. 39. 4). Der Brustausschnitt war wie bei der
Cypriane dreieckig und tief. Häufig schnitt man das Kleid auf der Vorderseite völlig auf, so dass
es wie ein Mannesrock angezogen werden konnte, und verschnürte es über die Brust herab. Die
Aermel waren passend und öffneten sich über der Hand. Noch gab es eine zweite Form dieses
Brokatrockes (87. 15); dieser zufolge liess man den Rock durch eingesetzte Zwickel sich von oben
an gleichmässig erweitern und nähte beide Teile nur über die Achseln her zusammen, so dass der
Rock seitwärts von der Achselgrube an bis unten hin offen stand. Dieses Kleid blieb entweder
ärmellos oder die Aermel wurden nur obenher an die Achselränder angesetzt, auch besonders ange-
zogen und an den Achseln mit kleinen Knöpfen an das Oberkleid befestigt. Zwischen die Knöpfchen
setzte man leichte Puffen ein, schloss auch sonst die Aermel im Oberarme mit Knöpfchen und Puffen
anstatt mit einer Naht zusammen; in der Armbeuge aber trennte man sie völlig und besetzte sie hier
mit einer weiten Puffe. Namentlich unter jungen Mädchen kam damals ein kurzes Obergewand auf,
welches bis unter die Brust hin anlag und in den Armschlitzen mit Hängeärmeln besetzt war.
Frauen der tagewerkenden Klasse trugen nach alter Sitte ihren Rock obenher anschliessend und
nötigenfalls unter der Taille durch Unterbindung heraufgeschürzt. Seit der Mitte des Jahr-
hunderts ward es immer mehr Sitte, das Kleid in Rock und Leibchen zu trennen (85. 11. 1c. 87. 9. 11)
und den Rock mit überschlagener Naht und beliebig gefaltet an das Leibchen zu befestigen. Das
Leibchen, nBusto-x genannt, wurde mit Blechspangen gesteift und lag immer fest am Körper, hatte
aber verschiedene Länge. Das kurze Leibchen zeigte einen dreieckigen Brustausschnitt, welcher
bis zum unteren Rande herabstieg (85.16. 87. 9. 17. 18) und durch einen Latz ausgefüllt wurde.
Das lange Leibchen reichte vorn tiefer herab als hinten (87.14), stieg dicht an den Hals hinauf
und hatte nur einen mässigen spitzen Brustausschnitt. Die grosse Zerklüftung des Landes in ein-
zelne selbständige Gemeinwesen veranlasste eine so üppige Mischung der Gewandformen, dass man
die Abbildungen statt der Feder reden lassen muss, denn auch die französisch-burgundischen Moden
fanden zahlreiche Verehrerinnen im Lande. Die Mäntel, rechteckig oder halbkreisförmig, waren
gross genug, die ganze Gestalt zu verhüllen; sie wurden auf der Brust zusammengefasst, in Unter-
italien aber noch nach uralter Weise mit ihrer Mitte unter einer Achsel hindurch genommen und
mit den Enden auf der anderen Achsel gekreuzt oder umgekehrt (87. 24. Fig. 40. 1).
Die Kop f trachten, welche das 14. Jahrhundert überliefert hatte, wurden beibehalten und
noch vermehrt; es gab Mützchen, rund oder flachbodig, mit vorn aufgeschlagener und hinten abWärtS
stehender Krämpe (87. 11), Käppchen, welche den Hinterkopf bedeckten, über die Stirne diadem-