Volltext: Trachten (Bd. 2)

nahmen die Langobarden eine andere Beinbekleidung an, nämlich Langhosen und Gamaschen. Diese 
Gamaschen in Verbindung mit kurzen Kniehosen, die sie möglicherweise selbst schon früher, vom 
Rocke bedeckt, getragen, sind unter den Alpenbewohnern bis auf unsere Tage herrschend geblieben. 
Die Schweiz bildete seit dem 7. Jahrhundert einen Teil des fränkischen Reiches. Nach einer Schilde- 
rung des Sidonius aus dem 5. Jahrhundert trugen die Franken kurze, das Knie freilassende Hosen, 
nach einer Notiz des Agathias aus dem 6. Jahrhundert aber völlige Hosen von Linnen oder Leder, 
dazu Schuhe, deren lange Riemen sie um die Beine wickelten (Fig. 26. 14), und einen viereckigen 
Mantel aus Wolle, den sie auf der Schulter verhaftelten, für die rauhe Jahreszeit ein Pelzwams und 
einen halbrunden kurzen Mantel aus Pelz oder verfilzter Wolle (Fig. 29.1). Esuliegt nahe, dass die 
Trachten der germanischen Stämme in den rauhen Gebirgslandschaften eine Umwandlung nach ört- 
lichen Bedürfnissen erfuhren, doch ist darüber nichts weiter bekannt. Keineswegs dürfen wir uns 
die alten Schweizer als nackte Bärenhäuter vorstellen; wir müssen Hosen und Rock von Leder, 
Fell oder Wolle, sowie Kapuze oder Hut und derbes Schuhzeug als notwendige Gewandstücke der 
Aelpler von altersher voraussetzen. 
Bis tief in das 13. Jahrhundert hinein sind die Quellen zur Geschichte der Schweizer- 
trachten fast ganz versiegt. Der Codex aureus von St. Gallen, welcher dem 8. oder 9. Jahrhundert 
angehört, weist verschiedene Kleinmalereien auf, aus denen wir ersehen, wie sehr es der römischen 
Tracht trotz dem abweisenden Naturell der Aelpler gelungen war, die germanische Tracht zu ver- 
drängen. Tunika, Schultermantel, knapp anschliessende Hosen, Schuhe oder Halbstiefel: alles ist 
römisch; doch ist festzuhalten, dass diese Malereien nicht die Tracht der eigentlichen Gebirgsleute, 
der Hirten und Jäger, wiedergeben. Von den Kriegern trägt einer eine Schuppenpanzerjacke mit kurzen 
Aermeln (Fig. 28. e) und einen Helm, welcher etwa dem Morian des 16. Jahrhunderts gleicht und wie 
er sich ähnlich in der Bibel Karl's des Kahlen wiederfmdet. Ein dem 9. Jahrhundert angehörendes Bas- 
relief eines Reliquienkastens in der Schatzkammer von St. Moritz lässt uns einen Krieger im Maschen- 
hemd oder Haubert mit runder Kapuze und halblangen Aermeln begegnen (Fig. 28. 7). An der Basilika 
in Zürich befindet sich ein Basrelief vom Ende des 11. Jahrhunderts, welches den Herzog Burk- 
hard von Schwaben darstellt (Fig. 28. s), und zwar in Tunika und knappen Hosen; der konische 
Helm mit Nasenschutz und der Schild in Form eines länglichen Herzens gleichen ganz den nor- 
männischen Waffen auf dem Teppiche von Bayeux. Erst um die Wende des 13. und 14. Jahr- 
hunderts öffnen sich in den Glasgemälden des Klosters zu Königsfelden und in den Malereien der 
Manessischen Liederhandschrift zwei ergiebige Trachtenquellen, freilich zunächst nur für die Stadt- 
leute und Burgherren. Es ist völlig die deutsche Tracht, die uns hier vor Augen tritt; wir sehen 
da den langen bis zu den Füssen herabsteigenden Rock, das ärmellose Uebergewand mit Kapuze, 
den über beide Schultern gehängten Rückenmantel, das bartlose Gesicht und die langen Locken 
der begüterten Klassen (52.  wir sehen daneben das in langen Falten herabfliessende Kleid der 
Edelfrau, welches gar nicht oder nur locker gegürtet ist (52. 11), das auf beiden Seiten ausgeschnit- 
tene Oberkleid, die Suckeni (52. 22), sowie den Rückenmantel, das Schleiertuch und den Kopfreif. Wir 
sehen die ärmeren Leute in kürzeren Röcken, welche bis knapp unter das Knie reichen, vielfach 
gestreift und mit einer Kapuze besetzt sind (52. 8-1 o). Der Ritter begegnet uns vom Wirbel bis 
zu den Zehen im Riegelhemde steckend, den ärmellosen Waffenrock darüber (52.  
Die Darstellungen aus dem 14. Jahrhundert (52. 1444) lassen erkennen, dass die Mode auch 
in den schweizerischen Städten die Vernunft zu überwältigen begann und das Verkürzen der Kleider 
forderte, sowie das Zusammenschnüren derselben um den Leib bis zur äussersten Enge. Die Zaddel- 
und Gugeltracht sahen die Schweizer zum erstenmal im Jahre 1875, als ein grosser Schwarm von 
abenteuerlichen Söldnern über den Jura kam, um Beute zu suchen, aber den Tod fand. Man 
nannte die Fremdlinge nach ihren Spitzhauben Gugler oder auch, da man glaubte, sie kämen aus 
England, Engländer. So wenig ihr Handwerk, so sehr gefiel ihre Tracht. Besonders war es das 
reiche Zürich, welches in der neuen Mode voraufging. Zwar erliess der dortige Rat eine Kleider-
	        
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