kleid blieb im ganzen genommen bei seinem alten Schnitte, nur wurde der Halsausschnitt immer
grösser und die Schleppe immer länger; auch die Aermel wurden mannigfaltiger; sie erschienen
bald weit oder eng, bald so lang, dass sie über die Hände herabfielen (42. 2), oder so kurz, dass
sie nur in die halben Unterarme reichten; auch wurden sie längs der ganzen Rückseite oder
nur am Ellbogen geschlitzt und unterpufft (42. 11.12); dies geschah jedoch nur dann, wenn sie von
den Aermeln des Oberkleides nicht bedeckt wurden; im anderen Falle pfiegte man sie überhaupt
sehr kurz zu machen, so dass sie nur bis in den halben Oberarm reichten. Die weiten Aermel,
welche an der Hand mit einer Binde zusammengefasst wurden gleich unseren Hemdarmcln (40. 16.13.22),
kamen fast gar nicht mehr vor. Das Oberkleid hatte entweder bis auf die Hüften herab oder
nur bis zum unteren Rande der Brust einen festen Anschluss (42. 4. 10); selten liess man es noch bis
zum Halse hinaufsteigen (42. 1. 2); die Mode verlangte den oberen Saum immer tiefer gerückt; man
schnitt das Kleid oben in einem grossen Bogen aus, so dass die Schultern mehr oder weniger frei
wurden (42. 4. 9), oder so, dass die Achseln bedeckt, aber die Brust und selbst der Rücken frei
blieben (42. s); man ging noch weiter und öffnete das Kleid vorn vom Halsausschnitte an tief unter
die Taille herab und vernestelte den Schlitz (42. s); hinten schnitt man es bis auf den Gürtel aus
(42.21), ähnlich wie es die Männer mit den Schecken machten. Am Niederrheine folgte man der
französischen Mode und liess das Kleid ziemlich hoch auf den Schultern liegen (42.13), schnitt es
vorn bis auf den Gürtel in eine Spitze aus und versah den Ausschnitt mit einem Umschlagekragen,
welcher hinten am breitesten war, sich über die Brust herab verschmälerte und am Gürtel verlor. Im
Gegensatze zur Mode der weiten Ausschnitte liessen minder modesüchtige Frauen ihr Kleid bis
zum Halse hinauf steigen und statteten es hier mit einem kleinen überfallenden oder stehenden
Kragen aus (42.15). Die Oberkleider wurden gewöhnlich im Rücken verschnürt. Im allgemeinen
war es Sitte, die weite Oeffnung bis zum oberen Rande der Brust entweder mit dem Hemde oder
mit einem feinen gefalteten Vorstecktuche, nach Belieben auch mit einem gestickten Latze zu
verschliessen (42. s. Ein Chronist berichtet: nMann und Frau trugen köstliche Brusttücher,
auch vorn mit breiten Säumen gestickt mit Seide, mit Perlen oder Flitter, und ihre Hemde hatten
Säcke, dahinein sie ihre Brüste steckten, was alles zuvor nicht gewesen waxzu Das Frauenhemd
scheint diesem Berichte zufolge von ähnlichem Zuschnitte gewesen zu sein wie manche der Frauen-
röcke im 12. Jahrhundert (Fig. Nach untenhin erweiterte sich das Oberkleid vom unteren
Rande der Brust oder von den Hüften an und verlängerte sich dergestalt, dass es beim Gehen
entweder aufgenommen oder nachgetragen werden musste; gewöhnlich nahm man es an der linken
Seite in die Höhe. Behördlich waren Schleppen bis zu zwei Ellen Länge gestattet, doch über-
schritt man dieses Mass bis zu vier Ellen und mehr. Häufig begegnet uns in den Abbildungen
jener Zeit das Kleid vornherab in Falten gelegt, entweder vom oberen Saume (42. e. a) oder von
der Herzgrube an (42. 4). Im ersten Falle musste das Kleid über die Schultern her ziemlich weit
geschnitten sein (42. 6. 9); beim Anziehen fasste man es auf der Brust in mehrere grosse Falten
zusammen, zog diese nach oben und befestigte sie mit einer Agraffe; der steife Besatz am oberen
Rande musste an dem in Falten zu legenden Teile hinwegbleiben. Die andere Art der Fältelung,
welche an der Herzgrube begann (42. i), wurde dadurch hergestellt, dass man von hier aus bis
untenhin einen ziemlich breiten Streifen aus dem Kleide herausschnitt und statt dessen einen anderen
von gleicher Farbe aber grösserer Breite einsetzte (Fig. 20. 16. 20); diesen schob man oben in mehrere
Falten soweit zusammen, dass er in den Ausschnitt passte; die Falten heftete man etwa eine Hand-
breit herab zusammen und befestigte dann das Zeugstück im Ausschnitte, obenher mittels um-
gewendeter Naht. Es kam auch vor, dass man das Kleid vornherab völlig aufschlitzte (42.10),
so dass man es statt überzuziehen wie ein Hemd gleich einer Schaube anziehen konnte; der Schlitz
wurde nach der Anlage völlig verschlossen. Gegen Abschluss des Jahrhunderts fing man an, das
Leibchen von dem Rocke zu trennen, jedenTeil einzeln zu schneiden und beide gewöhnlich mit
unlgcwendeter Naht wieder zu verbinden (42.15) Eine Gürtung des Kleides war nicht mehr durch-