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DAS
KUNSTGEWERBE.
sie auch wohl zu überbieten, wie wir z.B. von einem VViener Tapezierer ein volls
ständiges äigyptisches B0udoir ausgestellt sehen, d. h. wie es sich eben ein VViener
Tapezierer denkt. Sehen wir von der Grille ab, so ist es übrigens nicht ohne
Reiz, und eine Dame mit einem ägyptischen Prof1l findet sich ja wohl auch das
für. Im Allgemeinen aber ist es gewiss überraschend, wie sehr das deutsche und
österreichische M0biliar, die willkürlichen, naturwidrigen Formen des Rococo
verlassend, sich einfacher, gesetzmässger Structur zuwendet und damit von allen
Seiten sich der Renaisfance nähert, wenn auch bei weitem nicht alles Renaissance
ist, was wir sehen.
Nun wissen wir freilich, dass es in WVirkljchkeit noch vielfach anders ist, und
dass die Schablone für das gute Biirgerhaus noch lange nicht der Renaisfance
angehört, aber wie oft, so ist es auch hier: die Ausstellung, den werdenden und
wachsenden Geschmack aufgreisend, giebt die Hoffnung und die Richtung der
Zukunft. In dieser Auffassung, soviel Tadel das Einzelne bietet, können wir das
deutsche wie das österreichische Mobiliar nur als eine Wendung zum Guten bei
zeichnen, und das um so mehr, als diese Wendung unabhängig vom französischen
Geschmack ist, ja sich diesem entgegenstellt.
In Deutschland giebt es verschiedene Hauptorte der Tischlerei, wie Mainz,
Karlsruhe, Breslau, Dresden, Berlin, und darin Unternehmungen und Gefells
schaften, welche die Renaissance ausdrücklich auf ihre Fahne geschrieben und in
diesem Stil sich bereits ein Gebiet des Absatzes erworben haben. Sie haben
reich und gut ausgestellt, wenn auch das schlechte Arrangement, wie es die ganze
deutsche Ausstellung kennzeichnet, ihrer YVirkung Eintrag thut. Was wir aber
allgemein an dieser Fabricati0n auszusetzen haben, das ist eine gewisse structive
Trockenheit und Nüchternheit, zum Theil auch zu grosse Magerkeit der Formen
und Mangel an ornamentaler und insbesondere Hgürlicher Plastik, welche solchen
Arbeiten erst Reiz und Leben giebt. Dieser Vorwurf würde freilich in der Haupts
suche hinwegfallen, wenn diese Möbel, was aber nicht der Fall ist, für das bürs
gerliche Haus bestimmt waren. sie erheben höhere Ansprüche, und müssen sich
damit hinter die italienischen Arbeiten stellen.
Entschieden günstigen Eindruck machen ebenso die deutschen Tapeten, z. B.
von Hochstätt er in Darmstadt, wie auch die österreichischen von Lucius und
andere. Wenn wir damit die zahlreichen Zeichnungen vergleichen, welche Pros
fcssor Fi schbach in Hanau ausgestellt hat, so erkennen wir die gemeinsame Quelle
dieser Wanddecorationen, denn so muss man sagen, und kaum noch Tapeten.
Der Fortschritt, der hier mit den Tapeten gemacht ist, besteht eben darin, dass
die WVand als ein Ganzes für eine systematisch gegliederte Decorati0n aufgefasst
worden und die schablonenhafte Tapete mit breiteren und schmäleren Bändern
und Bordüren, mit Sockel und Fries dafür eingerichtet wurde, ohne den billigen
Preis der gewöhnlichen Tapetenbekleidung wesentlich zu verändern. Das ers
scheint hier gelungen, und wir können nur wünschen, dass solche Decorationen
nicht blos Ausstel1ungsobjecte bleiben, sondern zur VekfChkznekung des BÜkgek.
hauses allgemein werden.
Das gilt nun freilich in keiner Weise von den gewebten Möbelstoffen Deutsch.
1ands, die zwar auch langsam zur stilis1rung hinneigen, aber einerseits bei weitem
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